Die Mittelschule bietet den Schülerinnen und Schülern eine ausgeprägte Berufsorientierung. So werden bereits frühzeitig erste Erfahrungen im beruflichen Umfeld gesammelt und Anforderungen der Wirtschaft umfassend und altersgerecht kennengelernt.
Die Schülerinnen und Schüler können sich so zielgerichtet auf die Berufswahl vorbereiten. Die Chance, den „richtigen“ Beruf zu finden, wird deutlich größer.
Der Unterricht an der Mittelschule orientiert sich an der Praxis: Bei Betriebserkundungen und Praktika werden erste Kontakte zu Betrieben geknüpft, die auch für eine spätere betriebliche Ausbildung nützlich sind. Durch die intensiven Kontakte der Mittelschulen mit Berufsschulen und der regionalen Wirtschaft werden häufig konkrete Ausbildungschancen eröffnet. Lehrkräfte der Mittelschule, die als SCHULEWIRTSCHAFT-Experten qualifiziert wurden, helfen beim Auf- und Ausbau von lokalen Netzwerken der Mittelschulen und der bayerischen Wirtschaft.
Die drei berufsorientierenden Wahlpflichtfächer Technik, Wirtschaft und Kommunikation sowie Ernährung und Soziales werden ab der Jahrgangsstufe 7 unterrichtet und unterstützen bei der Berufsfindung. Schülerinnen und Schüler erhalten die Gelegenheit, ihre beruflichen Neigungen zu finden und grundlegende berufliche Fähigkeiten zu erwerben.
Im Fach Technik setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Werkstoffen und Materialien auseinander, wenden altersgemäß geeignete Fertigungsverfahren an, und setzen sich auch mit Fragen der Ökologie und Ökonomie auseinander.
Im Fach Wirtschaft und Kommunikation kann Basiswissen der Betriebs- und Volkswirtschaft sowie der Buchführung erworben werden. Schülerinnen und Schüler orientieren sich in kaufmännischen oder verwaltungstechnischen Berufsfeldern wie beispielsweise im Handel oder bei Behörden.
Im Fach Ernährung und Soziales erfolgt die Beschäftigung mit Fragestellungen aus den Bereichen Haushalt, Ernährung und soziales Handeln. Hier lernen Schülerinnen und Schüler der Mittelschule mögliche Arbeitsplätze aus den entsprechenden Berufsfeldern näher kennen, beispielsweise in Betrieben der Lebensmittelherstellung und des Lebensmittelhandels oder in sozialen Einrichtungen.
Unterrichtsstunden in den berufsorientierenden Fächern:
- Jahrgangsstufe 7: 5 Unterrichtsstunden (alle Fächer)
- Jahrgangsstufe 8: 4 Unterrichtsstunden in einem Wahlpflichtfach
- Jahrgangsstufe 9: 4 Unterrichtsstunden in einem Wahlpflichtfach
- Jahrgangsstufe 10: 3 Unterrichtsstunden in einem Wahlpflichtfach
Schülerinnen und Schüler der bayerischen Mittelschule absolvieren in der Jahrgangsstufe 8 Betriebspraktika, für die verpflichtend zwei Unterrichtswochen zu verwenden sind und die im Unterricht entsprechend vor- und nachbereitet werden. In der Regel absolvieren die Schülerinnen und Schüler in ihrer Schulzeit an der Mittelschule jedoch deutlich mehr Tage und Wochen in Betriebspraktika, für deren Umfang bis zu einem Fünftel der Unterrichtszeit zur Verfügung gestellt werden kann.
Die Zusammenarbeit mit Partnern wie z. B. der Bundesagentur für Arbeit sowie Innungen, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. liefert vielfältige Möglichkeiten der beruflichen Orientierung, beispielsweise durch:
- Bewerbungstrainings
- Berufsinformationsveranstaltungen
- Berufsorientierungsprogramme
- Betriebserkundungen
- Schülerübungsfirmen
- Berufsorientierungstage
- Ausbilderinnen und Ausbilder in Schulen
- Berufsorientierungsmaßnahmen nach § 48 SGB III
- Berufseinstiegsbegleitung nach § 49 SGB III
- Praktika
Schülerinnen und Schüler profitieren von dieser Zusammenarbeit insbesondere dadurch, dass sich die örtliche Agentur für Arbeit sowie viele Ausbildungsbetriebe ihrer Heimatregion einbringen. So werden Kontakte zu Betrieben geknüpft, die nicht nur Praktikumsplätze zur Verfügung stellen, sondern auch Ausbildungsplätze anbieten.
Die Schülerinnen und Schüler der Mittelschulen erhalten bei der Berufsorientierung in Bayern Unterstützung. Dabei sind Berufsorientierungsmaßnahmen (BOM) nach § 48 SGB III fester Bestandteil im Konzept der Mittelschule.
In einfacher und effektiver Weise ergänzen die BOM die schulischen Projekte und Maßnahmen. Dafür wurden in Zusammenarbeit mit den Mittelschulen, den Staatlichen Schulämtern und den örtlichen Agenturen für Arbeit berufsorientierende Module entwickelt:
Modul „Talente entdecken“ (7. und Anfang 8. Klasse)
Die Zusammenarbeit mit qualifizierten Fachleuten aus der Praxis ermöglicht den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in ausgewählte Berufsfelder. Sie erkennen eigene Talente sowie berufliche Interessen und stellen Bezüge zu den für sie interessanten Berufsfeldern her. Die Potenzialanalyse gibt den Schülerinnen und Schülern Rückmeldungen über individuelle Kompetenzen und Fähigkeiten.
Modul „Talente entwickeln“ (8. Klasse oder 9. Klasse)
Die Schülerinnen und Schüler gewinnen einen Überblick über unterschiedliche Berufsfelder und wählen eines davon aus, um gezielt die jeweiligen praktischen Anforderungen kennenzulernen. Das im Rahmen des Unterrichts erworbene Wissen zu den jeweiligen Berufsfeldern wird praktisch vertieft. Ziel dieses Moduls ist es, dass die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende der Vorabgangsklasse eine Berufswahlentscheidung treffen und den Bewerbungsprozess beginnen können.
Modul „Talente fördern“ (Individualangebote)
Dieses Modul begleitet Schülerinnen und Schüler, die noch Unterstützungsbedarf im Zusammenhang mit dem Berufsorientierungs- und/oder dem Bewerbungsprozess haben, über einen längeren Zeitraum und unterstützt sie ausgehend von praktischen Aufgabenstellungen. Der Erweiterung des individuellen Berufswahlspektrums kommt eine zentrale Bedeutung zu. Erkenntnisse aus früheren Kompetenzfeststellungsverfahren werden überprüft und ggf. aktualisiert. Auf die speziellen Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund wie auch mit sonderpädagogischem Förderbedarf kann bei Bedarf im Rahmen dieses Moduls in besonderer Weise eingegangen werden.
Modul I für Schülerinnen und Schüler mit Flucht- oder Migrationserfahrung
Das Modul I wird für Schülerinnen und Schüler von Mittelschulen im Alter entsprechend der Jgst. 7 – 9 mit Fluchthintergrund angeboten, welche einem hohem Bleiberecht unterliegen (z. B. aus Deutschklassen), sowie für nach Deutschland zugewanderte Schülerinnen und Schüler, die aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse und/oder kurzen Aufenthalts in Deutschland einen längerfristigen Unterstützungsbedarf in ihrer persönlichen Berufsorientierung erkennen lassen, die über die Regelangebote der Berufsorientierung an Mittelschulen hinausgehen.
Regionale und individuelle Projekte, sog. „Leuchttürme“
Im Rahmen der individuellen Bestellung ist es möglich, eigene Maßnahmen der Berufsorientierung im Sinne des § 48 SGB III gemeinsam zwischen Schule und der zuständigen Arbeitsagentur zu entwickeln. Die individuellen Einzelmodule erfolgen als Modifikation der Module „Talente entdecken“, „Talente entwickeln“ und „Talente fördern“, um den Bedürfnissen vor Ort Rechnung zu tragen.
Bestimmte Jugendliche benötigen bei der beruflichen Orientierung am Übergang zwischen der Schule und dem Beruf besondere Unterstützung. Das Förderprogramm Berufseinstiegsbegleitung nach § 49 SGB III ist eine Maßnahme, die diesen Jugendlichen besondere Hilfestellungen bieten soll. Die Finanzierung erfolgt jeweils hälftig durch die Bundesagentur für Arbeit und den Freistaat Bayern.
Die Berufseinstiegsbegleitung eignet sich für Schülerinnen und Schüler, die voraussichtlich Schwierigkeiten haben werden, den Abschluss der allgemeinbildenden Schule zu erlangen.
Die Berufseinstiegsbegleitung hilft beim Erreichen des Abschlusses, unterstützt bei Berufsorientierung, Berufswahl und Ausbildungsstellensuche, sie begleitet im Übergang von der Schule in den Beruf und hilft dabei, das Berufsausbildungsverhältnis zu stabilisieren.
Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat in Kooperation mit SCHULEWIRTSCHAFT Bayern ca. 85 Lehrkräfte als SCHULEWIRTSCHAFT-Experten qualifiziert. Sie sind integriert in das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT.
Diese speziell geschulten Lehrkräfte üben eine Schlüsselrolle bei der Kooperation von Mittelschule und Arbeitswelt aus. Sie beraten Schulleitungen, Lehrkräfte und Wirtschaftspartner in ihrer Region.
Für die Wirtschaft sind sie im Hinblick auf die Kooperationen mit der Mittelschule Ansprechpartner im gesamten Schulamtsbezirk.
Die SCHULEWIRTSCHAFT-Experten arbeiten eng mit dem Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT vor Ort zusammen. Sie nehmen Impulse aus dem Netzwerk auf und planen gemeinsam Maßnahmen der Berufsorientierung.
Die Expertinnen und Experten fördern den Austausch zwischen den Mittelschulen und den Betrieben in der Region als
- Beratende der Mittelschulen zu Berufsorientierung und Kooperationen mit externen Partnern,
- Wissensträgerinnen und Wissensträger in Fragen des Übergangs von der Schule ins Arbeitsleben,
- Unterstützung der Lehrkräfte bei der Akquise von Unternehmen für Projekte im Unterricht und Schulleben,
- Netzwerkende für Wirtschaft und Mittelschulen im Arbeitskreis SCHULEWIRTSCHAFT vor Ort,
- Unterstützung in Fragen des Übergangs von der Schule ins Arbeitsleben,
- Kontaktperson für die Zusammenarbeit zwischen Mittelschule und Berufsschule.
Für die Schülerinnen und Schüler der Mittelschule wird der Übergang an eine Berufsschule erleichtert, indem sie bereits frühzeitig Einblick in den Schulalltag der Berufsschule erhalten.
Sie profitieren von der Zusammenarbeit mit der Berufsschule, beispielsweise
- bei der Arbeit in gemeinsamen Projekten oder
- bei Berufsinformationsveranstaltungen, an denen Berufsschülerinnen und Berufsschüler sowie Berufsschullehrkräfte Informationen über verschiedene Berufe an die Schülerinnen und Schüler weitergeben.
Wenn die Schülerin bzw. der Schüler nicht sofort einen Ausbildungsplatz findet, bietet ihm die Berufsschule vielfältige Angebote zur Vorbereitung auf den Einstieg ins Berufsleben, wie beispielsweise das BVJ/k (Berufsvorbereitungsjahr / in kooperativer Form). Nähere Informationen hierzu erhalten Schülerinnen und Schüler bei der Berufsschule vor Ort.
Eine weitere Form der Zusammenarbeit sind die sogenannten Berufsorientierungsklassen.
Die Berufsorientierungsklasse einer Mittelschule, die von freiwillig Wiederholenden der Jahrgangsstufe 9 besucht wird, und eine Klasse zur Berufsvorbereitung der Berufsschule arbeiten eng zusammen. Beide Klassen werden von Mittelschul- und Berufsschullehrkräften unterrichtet. Die Schülerinnen und Schüler erhalten so eine zweite Chance, einen Schulabschluss zu erwerben und gewinnen gleichzeitig Eindrücke aus der Berufs- und Arbeitswelt.
Stand: 26. März 2024