Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 63

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
macht, die dann eben schulintern dafür sorgen – also nicht dafür sorgen, aber eben ein politi-
sches Bewusstsein schaffen und solche Dinge.“ (w)
„Warum gerade in die linke Richtung?“ – Die Rolle von Schlüsselpersonen und Schlüsselerfahrun-
gen.
In den Interviews sind oft Schlüsselpersonen oder auch Schlüsselerlebnisse auszumachen, wel-
che die politische Richtung der Befragten mitbestimmen. Eine Jugendliche geht schon als Kind mit
ihrer Mutter und ihrer Schwester auf Anti-Atomkraft Demonstrationen. Ein Jugendlicher verbringt
viel Zeit in seiner Kindheit mit seiner Großmutter, die eine Vorbildfunktion für ihn übernimmt und die
über den „Kapitalismus“ und die „Bonzen“ schimpft. Eine andere Jugendliche wächst in einer Gegend
auf, in der es viele „Rechte“ gibt und macht die Erfahrung, dass es gefährlich sein kann, sich nicht mit
ihnen einzulassen bzw. ihnen die zunächst gewährte Sympathie zu entziehen.
„A: Eigentlich war ich eher schon immer an Politik interessiert. Warum gerade in die linke Rich-
tung? Da ich an einem Ort groß geworden bin, der ein starkes Rechten-Problem hatte, war der
Kontakt mit rechten Klassenkameraden und Ähnlichen leider immer präsent. Als ich noch jünger
war, so 12, 13, 14, war mein bester Freund oft geneigt, falsche Freunde zu haben. Ich erinnere
mich, dass er in die rechte Szene abzudriften drohte, und wir haben ihm versucht zu helfen, da
wieder rauszukommen. Das hat er irgendwie auch geschafft, ist einfach nicht mehr hingegan-
gen, hat dann wieder mehr mit uns und den Punks und Ähnlichen abgehangen. Und eines Tages
wurde er dafür von den Rechten ganz übelst verprügelt, zusammengeschlagen, er hätte beina-
he sein rechtes Auge verloren, die Nase war drei Mal gebrochen. Das hat mich veranlasst gegen
rechte Gesinnung zu sein.“ (w)
Bei einem anderen Befragten ist es die große Stiefschwester, die eine Vorbildfunktion für ihn hat und
ihn mit zu Treffpunkten der linken Szene und zu Demonstrationen nimmt:
„A: Ja, so meine Schwester. Also die Mutter meiner Schwester ist schon immer ziemlich links, al-
so das ist meine Stiefschwester, und mein Stiefvater und meine Mutter, die waren früher halt
Anti-Atomkraft und haben sich vor Atomkraftwerke gesetzt und so. Und deswegen vor allem
von meiner Schwester, weil die schon von ihrer Mutter beeinflusst war, die war halt in dieser
linken Szene. Und auch so ein Treffpunkt, also meine Schwester war da und auf Demos, und
dann bin ich halt immer mit ihr mitgegangen oder fand es halt dann auch cool, mit meinen
Freunden da hinzugehen, während sie auch da war.“ (m)
Ein einzelner Jugendlicher benennt die Literatur als Schlüssel für seine politische Richtung:
„I: Das heißt: Du sagst, es gibt ja jetzt keine Personen, die dich irgendwie geprägt haben, wo du
in deiner Biografie zurückguckst …
A: Nein, nicht wirklich. Personen … Personen? Meinen Sie jetzt von meiner politischen Gesin-
nung her oder meinen Sie, wie ich dazu gekommen bin? Weil, von der Gesinnung her, da gibt’s
dann tatsächlich Leute, die mich geprägt haben, das natürlich. Jetzt weniger politisch, sondern
mehr philosophisch: Ich bin unglaublicher, fast schon fanatischer Fan von Nietzsche, das war so
ziemlich das Allererste, womit ich mich – mag jetzt vielleicht als Einstiegslektüre totaler Blöd-
sinn sein, aber das war so mein erster Kontakt mit einer größeren Philosophie. Und dann hab’
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