Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel - page 109

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Gesellschaftliches bzw. politisches Engagement, Jugendprotest und die Wahl der Mittel
walthandeln zu unterscheiden. Rechtsradikale Ideologien liefern Rechtfertigungen für Gewalt gegen
Personen und Gruppen, die nicht zu dem völkisch definierten „Wir“ gehören, also gegenüber Men-
schen mit Migrationshintergrund und behinderten Personen. Für Angehörige linker Szenen und
Gruppen ist gerade die Verteidigung gleicher Rechte für alle Menschen eine elementare Überzeu-
gung und es ist vor allem ihr Gefühl der Ungerechtigkeit, das sie politisch motiviert und die auch aus-
geübte Gewalt richtet sich gegen Personen oder Gruppen, die gegen die Grundüberzeugung gleicher
Rechte und Chancen für alle Menschen verstoßen bzw. – wie staatliche Organe – deren Meinungs-
freiheit sichern.
Eine zweite Differenz ist noch zu betonen. Rechtsradikale Gruppen bieten ihren Mitgliedern die Mög-
lichkeit an, sich in totaler Hingabebereitschaft, die bis zu symbiotischen Verschmelzungen gehen
kann, in die Gruppe einzugliedern. Die in freiheitlich-liberalen Gesellschaften mögliche und normativ
erwünschte Herausbildung einer autonomen Individualität, an der ein Teil der Heranwachsenden
scheitert, wird in den rechten Szenen nicht gefordert. Die Ohnmacht, die mit dem Scheitern verbun-
den ist, wird durch die Gruppenzugehörigkeit und die in ihr erfahrbare kollektive Handlungsfähigkeit
kompensiert. Wie die Befunde unserer Studie zeigen, ist für Heranwachsende in linken Szenen die
Betonung der individuellen Autonomie ein besonders ausgeprägtes Charakteristikum, das eine kritik-
lose Unterwerfung unter den Konformitätsdruck einer Gruppe eher ausschließt.
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