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Mobilisierung durch Populismus?
Einsichten und Perspektiven 1 | 17
Der Ausblick auf die kommenden Wahlen in Europa
und die Bundestagswahl 2017
Die vorgestellten Ergebnisse befinden sich damit auf einer
Linie mit der bisher bestehenden Forschung. In einer Stu-
die in 19 westeuropäischen und 14 osteuropäischen Län-
dern im Zeitraum von 2002–2012 konnte kein Zusam-
menhang zwischen dem Aufkommen rechtspopulistischer
und rechtsradikaler Parteien und der Höhe der Wahlbe-
teiligung festgestellt werden.
38
Ein kürzlich erschienener
Artikel aus dem Jahr 2016 bestätigt diesen Befund aber-
mals: Rechtspopulisten können sowohl im Kontext der
starken Mobilisierung als auch im Kontext politischer
Entfremdung gut abschneiden.
39
Für dieses bisher nicht eindeutige Ergebnis kann es meh-
rere Gründe geben: Zum einen wurden hier verschiedene
Parteien unter dem Sammelbegriff des Rechtspopulismus
zusammengefasst. Einige dieser Parteien wie der franzö-
sische Front National oder die Schweizerische Volkspartei
38 Vgl. Tim Immerzeel/Mark Pickup: Populist radical right parties mobilizing
‘the people’? The role of populist radical right success in voter turnout, in:
Electoral Studies 40 (2015), S. 347–360, hier S. 353.
39 Vgl. Stockemer (wie Anm. 6), 11 f.
sind schon seit den frühen siebziger Jahren aktiv und eta-
bliert. Diese Parteien haben sich vermutlich schon früher
eine Stammwählerschaft aufgebaut, die weniger von der
Wahlbeteiligung und weiterer Mobilisierung abhängig ist.
Allerdings gibt es neben diesen Unterschieden auch wider-
streitende theoretische Erklärungen dafür, ob Parteien am
rechten Rand überhaupt eine starke Mobilisierungswir-
kung zugeschrieben werden kann.
Diejenigen, die rechtspopulistischen Parteien eine starke
Mobilisierungswirkung zuschreiben, argumentieren, dass
diese Parteien eine neue Position in der politischen Gelegen-
heitsstruktur einnehmen, welche von den bisher etablierten
Parteien vernachlässigt wurde.
40
Im Sinne der Modernisie-
rungsverlierertheorie sprechen die Parteien gerade Bürger
mit geringeren sozialen und materiellen Ressourcen an und
könnten so besonders von dieser Gruppe profitieren. Au-
ßerdem sorge die extreme Programmatik der Rechtspopu-
listen für eine verstärkte Polarisierung, welche den Bürgern
das Gefühl gibt, dass bei der Wahl besonders viel auf dem
40 Vgl. Chantal Mouffe: The ‘End of Politics‘ and the Challenge of Right-wing
Populism, hg. v. Francisco Panizza, in: Populism and the mirror of demo-
cracy, London 2005, S. 50–71.
Wahlbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland bei Bundestagswahlen 1949–2013
Wahldatum
Deutschland (gesamt)
Früheres Bundesgebiet
und Westberlin
Neue Länder und
Ostberlin
14.08.1949
78,5%
06.09.1953
86,0%
15.09.1957
87,8%
17.09.1961
87,7%
19.09.1965
86,8%
28.09.1969
86,7%
19.11.1972
91,1%
03.10.1976
90,7%
05.10.1980
88,6%
06.03.1983
89,1%
25.01.1987
84,3%
02.12.1990
77,8%
78,6%
74,5%
16.10.1994
79,0%
80,5%
72,6%
27.09.1998
82,2%
82,8%
80,0%
22.09.2002
79,1%
80,6%
72,8%
18.09.2005
77,7%
78,5%
74,3%
27.09.2009
70,8%
72,2%
64,7%
22.09.2013
71,5%
72,4%
67,6%
Quelle: Bundeswahlleiter, Wahlbeteiligung in der Bundesrepublik bei Bundestagswahlen 1949–2013, o.O. 2014