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Mobilisierung durch Populismus?

Einsichten und Perspektiven 1 | 17

Spiel stehe.

41

Ebenfalls profitieren würden die Rechtspopu-

listen von sogenannten „

Send-a-Signal“

-Wähler/-innen, die

aus Enttäuschung und Protest ihre Stimme einer extremen

Partei anvertrauen. Diese Gruppe wäre vermutlich sonst

nicht zur Wahl gegangen, da sie mit den übrigen Parteien

und speziell den Regierungsparteien unzufrieden ist. Die

starke Polarisierung kommt allerdings nicht zwangsläufig

nur den rechtspopulistischen Parteien selbst zu Gute. Auch

Bürger/-innen, welche die Ideologie dieser Parteien ableh-

nen, könnten besonders stark mobilisiert werden, um die

extremen Parteien von einem Erfolg abzuhalten.

42

Somit

würde zwar die Wahlbeteiligung steigen, die Stimmen ver-

teilen sich aber gerade nicht auf die populistischen Parteien.

Andere Stimmen sehen aber auch die Möglichkeit einer

Demobilisierung durch den Erfolg rechtspopulistischer

Parteien. Hier ist vor allem das Schlagwort des

negative

campaigning

, also des skandalisierten „schmutzigen“Wahl-

kampfs zu nennen. Die Entwicklung und Verbreitung eines

extrem negativen Images von Parteien und Politiker/-innen

führt dazu, dass Bürger/-innen zunehmend den Eindruck

gewinnen, das politische System sei nicht mehr fähig Pro-

bleme zu lösen und die Meinungen der Bürger/-innen

verantwortungsvoll zu repräsentieren. Dies führt zu einer

Abwendung vom politischen System und folglich zu gerin-

gerer Partizipation. Speziell junge und unerfahrene Bürger

wären anfällig für die harsche Anti-Rhetorik der rechts­

populistischen Parteien und würden deshalb überdurch-

schnittlich oft der Wahl fernbleiben.

43

Mit Blick auf die kommenden Wahlen in den Nieder-

landen im März, in Frankreich im April und den Landtags-

wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen

im Mai bleibt nach dieser Analyse ein kräftiges „Es kommt

drauf an!“ der Politikwissenschaft. Der Zusammenhang

zwischen erhöhter Wahlbeteiligung, wie sie bei den letzten

Landtagswahlen beobachtbar war, und dem Erfolg rechts­

populistischer Parteien wie der AfD ist weder im deut-

schen noch im europäischen Kontext nachweisbar. Auf der

einen Seite nutzt die AfD ebenfalls das Stilmittel eines sehr

harschen anti-elitärenTons und schlägt dabei häufig über die

Stränge.

44

Diese Strategie könnte die politische Debatte in

Zukunft durchaus stärker polarisieren, als dies bei den vor-

angegangenenWahlen der Fall gewesen ist. Erreicht die AfD

41 Vgl. Immerzeel/Pickup (wie Anm. 38), S. 349.

42 Vgl. ebd.

43 Vgl. ebd., S. 350.

44 Wie beispielsweise Björn Höcke, der in seiner Rede vom 17.01.2017 das

Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ und die deut-

sche Erinnerungskultur als „dämliche Bewältigungspolitik“ bezeichnete.

so vor allem Bürger, die ein Signal setzen wollen, ist davon

auszugehen, dass die Wahlbeteiligung steigt und dies auch

überwiegend der AfD zu Gute kommt. Andererseits kann

die Polarisierung auch zu einer verstärkten Mobilisierung

der übrigenWähler/-innen führen, sodass die Steigerung der

Wahlbeteiligung in keinem Zusammenhang mit dem Erfolg

der AfD stünde. Gerade Frust- oder Abstrafungswahlen sind

häufig Phänomene von Zwischenwahlen, also Wahlen die

zwischen den Terminen der Bundestagswahl stattfinden.

Diese „Nebenwahlen“ werden von Wähler/-innen häufig

dazu genutzt, die regierenden Parteien abzustrafen, während

bei der Bundestagswahl das Gefühl eintritt, dass wirklich

etwas auf dem Spiel stehe. Somit bleibt abzuwarten, ob

die AfD bei der Bundestagswahl 2017 ähnliche Erfolge

einfahren kann wie auf der Landesebene 2016.

Des Weiteren wird es darauf ankommen, ob die AfD

Themen besetzen kann, die ausreichend polarisieren. Ob

sich die Migrationsthematik bis September 2017 als tragfä-

hig genug erweist, ist aufgrund der derzeit stabil niedrigen

Zahl an neu ankommenden Geflüchteten fraglich – dies

könnte sich jedoch auch wieder ändern. Hier bleibt aller-

dings abzuwarten, ob die Zahlen über den Sommer wieder

ansteigen. Ebenso ist noch ungewiss, ob die AfD es schafft

eigene Schwerpunkte im Bereich der Sicherheitspolitik zu

setzen. Ist die AfD hier erfolgreich, ist es wahrscheinlich,

dass die Wahlbeteiligung aufgrund stärkerer Polarisierung

wieder geringfügig ansteigen oder zumindest nicht weiter

sinken wird. Ob dies aber auch der AfD zum Erfolg ver-

hilft oder sich die neu gewonnenen Wählergruppen nicht

ebenso auf andere Parteien verteilen, lässt sich auf der

Grundlage der bisherigen Forschung kaum vorhersagen.

Wie dargelegt profitiert die AfD zwar von der Gruppe der

Nichtwähler/-innen, allerdings kommt der größere Teil

ihrer Wählerschaft durch Bürger/-innen, die vorher auch

schon eine andere Partei gewählt haben.

Fest steht: Eine steigendeWahlbeteiligung ist wünschens-

wert. Durch die niedrige Wahlbeteiligung fallen gerade

weniger privilegierte Gruppen überproportional aus dem

politischen System heraus. Dieser Mechanismus gefährdet

das Ideal politischer Gleichheit. Die häufig als „Modernisie-

rungsverlierer“ charakterisierte Gruppe wird zum Teil von

der AfD angesprochen. Bisherige empirische Ergebnisse

im europäischen Kontext und auch in dieser Studie zeigen

allerdings keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen

dem Erfolg rechtspopulistischer Parteien und steigender

oder sinkender Wahlbeteiligung. Die Befürchtung, dass vor

allem die „Falschen“ von steigender Wahlbeteiligung pro-

fitieren, scheint unbegründet. In jedem Fall profitiert aber

die Demokratie von einer großen Wahlbeteiligung.