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Einsichten und Perspektiven 3 | 17
der Spitzenkandidaten und den Fernsehsendern bekommen
die Zuschauerinnen und Zuschauer meist wenig mit. Aber
allein schon die Frage, wer überhaupt an einer Debatte teil-
nehmen darf, ist höchst brisant. Dabei hat sich in Deutsch-
land die Tradition eingespielt, dass TV-Duelle auf Bundes-
wie auf Landesebene zwischen dem Amtsinhaber und dem
aussichtsreichsten Herausforderer ausgetragen werden. Weil
CDU und SPD traditionell die größten Chancen zugeschrie-
ben werden, später den Kanzler oder Ministerpräsidenten zu
stellen, handelt es sich in den meisten Fällen um ein Duell
zwischen dem Spitzenpersonal dieser beiden Parteien. In
Baden-Württemberg führte das 2011 dazu, dass der spätere
Ministerpräsident Winfried Kretschmann von Bündnis 90/
Die Grünen nicht am Duell teilnehmen durfte. Die Grünen
lagen in Umfragen zwar in etwa gleichauf mit der SPD –
dennoch wollte man am vermeintlich medientauglicheren
Zweierformat festhalten.
Dass die kleineren Parteien beimQuotenrenner TV-Duell
kein Mitspracherecht haben, ruft viele Kritiker des Formats
auf den Plan. Denn, so lautet der Vorwurf, die nach dem
Vorbild der amerikanischen
presidential debates
gestalteten
Kanzlerduelle passten zwar zu einer Präsidentschafts-, aber
nicht unbedingt zur Verhältniswahl zum Deutschen Bun-
destag. Die kleineren Parteien haben deshalb bereits mehr-
fach versucht, sich einen Platz am Tisch der „Großen“ zu
erkämpfen. Im diesjährigen Wahlkampf verfassten die Par-
teichefs von Bündnis 90/Die Grünen, Linken und der FDP
beispielsweise einen offenen Brief an die veranstaltenden
Sender. Aber weder der rechtliche Weg noch die öffentliche
Kritik der „kleinen“ Parteien hatten bisher Erfolg.
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Denn für
die ausstrahlenden Sender ist das medienwirksamere Zweier-
Format genauso attraktiv wie für CDU und SPD, die sich so
einen Aufmerksamkeitsvorteil verschaffen können.
Andererseits wird häufig kritisiert, dass die Organisation
der Duelle nicht unabhängig und transparent von neu-
traler Stelle beaufsichtigt wird. Bieber schlägt daher vor,
ähnlich wie in den USA auch in Deutschland, angestoßen
durch die Landesmedienanstalten, verbindliche Kriterien
zwischen erfahrenen Journalisten, Kampagnenmanagern
und Politikern sowie Debattenforschern auszuhandeln, die
dann auf die Durchführung der Duelle angewendet wer-
den könnte.
18
Bisher sei in Deutschland aber „[das promi-
nenteste und reichweitenstärkste Format im Medienwahl-
kampf ] von den eng kooperierenden Akteuren der beiden
17 Vgl.
Tagesspiegel.dev. 22.05.2017: TV-Duell bleibt TV-Duell, online abrufbar
unter:
http://www.tagesspiegel.de/medien/sender-reagieren-auf-politiker-forderungen-tv-duell-bleibt-tv-duell/19834762.html [Stand: 18.09.2017].
18 Vgl. Bieber (wie Anm. 4).
stärksten politischen Kräfte [dominiert]“, „die Möglichkeit
einer Einflussnahme auf das Format auf wenige Akteure
limitiert“ sowie „das bereits vorherrschende Primat der Par-
tei- und TV-Eliten zementiert“.
19
Bieber kommt zu dem
Schluss, dass die Debatten in Deutschland nicht wie in
den USA im Dreieck von Politik, Medien und Bürgern
20
stattfänden, sondern ausschließlich in einer „‚gebrochenen‘
Agenda verharren“.
21
Diese Ausführungen zeigen nicht
zuletzt, dass die Organisation von TV-Debatten ein interes-
santes Forschungsfeld ist, in dem sich „Grundstrukturen im
Beziehungsgeflecht der [...] ‚Mediendemokratie‘ aufzeigen
lassen“.
22
Die wenigen Einblicke in der Forschungsliteratur
deuten darauf hin, dass Teile der Regeln und des Settings der
Duelle zwischen den Sendern sowie den beteiligten Parteien
ausgehandelt werden. Inhalte der Sendung werden vornehm-
lich durch die Redaktionen bestimmt.
23
Ein Beispiel, wie die
Planung des Fernsehformats anders stattfinden kann, war
die TV-Debatte zur Europawahl 2014.
24
Allerdings wurde
die Organisation durch das Europaparlament angestoßen
und begleitet. Auf diesem Weg fanden viele Regeln der par-
lamentarischen Debatte Eingang in das Fernsehformat. Die
häufige Kritik am Einfluss von Amtsinhabern auf die Gestal-
tung der TV-Duelle oder an der Themenauswahl der Sender
und Moderatoren belegen, dass die Frage der Planung der
Duelle ein weiterhin kontroverses Feld bleiben wird. Diese
Debatte ist vor allem angesichts der prominenten Stellung
des Formats mit Mobilisierungs- und Informationsfunktion
imWahlkampf umso bedeutender.
TV-Duelle in modernen Kampagnen zwischen
Professionalisierung, Personalisierung und Digitali-
sierung
Wahlkampagnen sind Hochzeiten der politischen
Kommunikation. Parteien, Wähler und Massenmedien
bilden zusammen das sogenannte „Wahlkampfdreieck“.
19 Vgl. Christoph Bieber: Das „Kanzlerduell“ als Multimedia-Debatte. Poli-
tische Kommunikation und Bürgerbeteiligung zwischen TV und Internet,
in: Die Bundestagswahl 2009. Analysen der Wahl-, Parteien-, Kommuni-
kations- und Regierungsforschung, hg. v. Karl-Rudolf Korte, Wiesbaden
2010, S. 239-261, hier S. 257.
20 Vgl. Jackson-Beeck/Meadow (wie Anm. 16).
21 Bieber (wie Anm. 19), S. 257.
22 Ebd., S. 241.
23 Für das TV-Duell in Baden-Württemberg 2011 siehe Amely Krafft/Volker
Zaiss: Das TV-Duell aus Sicht der Wahlkämpfer – Ein Blick in die Kampa-
gnenpraxis, in: Das TV-Duell in Baden-Württemberg 2011. Inhalte, Wahr-
nehmungen und Wirkungen, hg. v. Marko Bachl/Frank Brettschneider/
Simon Ottler, Wiesbaden 2013, S. 237-250.
24 Vgl. Dinter/Weissenbach (wie Anm. 7).
Das TV-Duell im Bundestagswahlkampf 2017