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Die Gesundheitsberichte des Landgerichtsarztes Dr. Schleis von Löwenfeld (1772-1852)
Einsichten und Perspektiven 3 | 17
medizinischen Topographie von Berlin
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empfohlen worden,
doch habe er sich lieber an der Vorgabe der Landesdirektion
Bamberg für die dortigen Landgerichtsärzte orientiert.
Die Gliederung des im Vergleich zu Schwandorf mit
rund 200 Seiten wesentlich umfangreicheren Berichtes
führt zehn Abschnitte auf, die von der Geographie und
Geschichte des Bezirks über die Beschreibung der Bevöl-
kerung zu den Gesundheitseinflüssen und Erkrankungen
führen. Nur auszugsweise sollen im Folgenden einige
Inhalte wiedergegeben werden:
23 Johann Ludwig Formey: Versuch einer medizinischen Topographie von
Berlin, Berlin 1796, vgl.
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/ob-ject/display/bsb11107123_00005.html [Stand: 21.09.2017].
Tabellarisch stellt er für die Jahre 1803-1805 Geburts- und
Sterbelisten dar mit einer Übersicht der Todesursachen. Am
häufigsten waren diesbezüglich Entkräftung und Alters-
schwäche, Abzehrung, Lungensucht und Lungenentzün-
dung. Die Bevölkerungszunahme um 338 auf 13816 im
Drei-Jahres-Zeitraum könnte nach seiner Vermutung mit
der Einführung der Kuhpockenimpfung zusammenhängen.
Sehr viele Menschen erreichten das 70. Lebensjahr, viele
würden 80 Jahre alt, manche sogar 90-95 Jahre. Die unehe-
lichen Schwangerschaften seien zwar immer noch zahlreich,
kämen aber nicht mehr so häufig vor als sonst. Die Zahl der
verstorbenen Wöchnerinnen nehme ebenso ab wie die Zahl
der totgeborener Kinder, was auf die Verbesserung des Ent-
bindungswesens, die Anstellung mehrerer gelernten Hebam-
men, und die Errichtung einer eigenen Lehranstalt für die
Sulzbacher Hebammen zurückzuführen sei. Grund für den
Tod vieler Kinder sei u.a. auch, dass man auf dem Lande im
Krankheitsfall keinen Arzt zu Hilfe rufe. Bei fieberhaften und
ansteckenden Erkrankungen sei dies anders, auch werde er
darüber informiert und könne helfen, weshalb verhältnismä-
ßig Wenige daran verstürben. Der Tod an Lungenkrankhei-
ten trete häufig zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf.
Bei alten und armen Menschen sei die Wassersucht Ursache,
als Folge schlechter Nahrung, vernachlässigter Hautkultur
und des oft häufigen Branntweintrinkens.
Ein Sittengemälde der Zeit: Bevölkerung und
Lebensweise der Sulzbacher Bevölkerung
Bei der Beschreibung der Bevölkerung unterscheidet
er zwischen Stadt- und Landbevölkerung, Christen und
Juden, und transportiert dabei klassische Stereotypen mit
dem typischen antisemitischen Bodensatz der Zeit: Juden
zählten demnach mehr zur schwächlichen und „weich-
lichen“ Menschenklasse und hätten auch einen anderen
Charakter als die Normalbevölkerung. In der Kultur jeder
Art seien die Christen den Juden aufgrund des allgemeinen
Schulunterrichtes um ein Jahrhundert voraus. Diese seien
selten aufrichtig und nicht so fleißig wie die Christen, bei
denen er jedoch ebenfalls nicht nur positive Eigenschaften
feststellte. Der Sulzbacher werde grob und hitzig, wenn er
gereizt oder sich in seiner Ehre gekränkt fühle. Auch finde
man unter Christen häufiger „Trunkenbolde“.
Bei der Kleidertracht werde auf die Gesundheit noch
nicht genug Rücksicht genommen. Man kleide sich
nicht der Jahreszeit angemessen, im Frühjahr zögen sich
die Menschen zu leicht an. Die von ihm in Schwandorf
angeprangerten Schnürbrüste seien in Sulzbach aber
weitgehend abgeschafft worden. Die üble Gewohnheit
des Tabakrauchens sei bei allen Ständen des männlichen
Quelle : Bayerische Staatsbibliothek München , Bavar. 2378, S.72,
urn:nbn:de:bvb:12-bsb10378210-3