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aviso 3 | 2017
AFRIKA IN BAYERN
WORAUF ICH MICH FREUE
WORAUF ICH MICH FREUE
PROFESSOR DR. MICHAEL JOHN GORMAN
DER GERUCH VON
Äpfeln. Das Klopfen eines Spechtes auf
Holz. Das Gefühl von warmen Sand unter den bloßen Füßen.
Eintagsfliegen, die über der sonnenbeschienen Oberfläche
eines Teiches tanzen. Spaziergänge mit meinem drei Jahre
alten Sohn, ein gemeinsamer Besuch bei Anna, dem Riesen-
gourami, der im Glashaus des Botanischen Gartens in Mün-
chen lebt. Dies alles sind Dinge, die mich glücklich machen,
zumindest für einen flüchtigen Moment. Es erscheint mir
interessant, wie viele von ihnen auf die eine oder andere Wei-
se Verbundenheit zur Natur widerspiegeln, obwohl ich, bevor
ich nach München kam, immer schon ein Stadtmensch war.
Ein weniger kurzweiliges Vergnügen rührt vielleicht daher,
über Grenzen hinweg einen inspirierenden Gedankenaus-
tausch zu initiieren – und einen Biologen etwa mit einem
Modedesigner zusammenzubringen, um neue Textilien zu
entwickeln, oder einen Neurowissenschaftler mit einem
Schlagzeuger, um die Reaktion des Gehirns auf verschiedene
Rhythmen zu erforschen.
OB GALERIEN, MUSEEN,
Makerspaces oder Labore: Schon
lange hat mich die Frage fasziniert, wie es möglich ist, neu-
artige öffentliche Räume zu gestalten, die Menschen aus ver-
schiedenen Bereichen und mit unterschiedlichen Perspekti-
ven zusammenführen und so neue Erkenntnisse und kreative
Projekte erzeugen.
Während ich in Florenz studierte, hatte ich die Chance, an
Ausstellungen über Leonardo da Vinci und Galileo zu arbei-
ten, die beide auf neue Weise Kunst und Wissenschaft zu-
sammenführten und damit unser Verständnis der natür-
lichen Welt grundlegend veränderten. Als ich in der Folgezeit
zunächst am MIT und dann in Stanford tätig war, begann
ich meine eigenen digitalen Projekte und Ausstellungen zu
entwickeln, die Natur-, Geisteswissenschaften und Kunst
miteinander verbanden. Schließlich bekam ich die Gelegen-
heit, die Entwicklung der Science Gallery am Trinity College
in Dublin zu leiten, eine neue Art von Plattform, auf der
Wissenschaft und Kunst aufeinandertreffen und die nun als
Modell für ein Netzwerk von Science Galleries an Universi-
täten auf der ganzen Welt dient.
DER CELLIST YO-YO MA
beschreibt das Phänomen des
»Edge Effect« zwischen zwei Ökosystemen auf wunderbare
Weise: »In der Ökologie nennt man die Schnittstelle, an der
zwei Ökosysteme – so wie Wald und Savanne – aufeinander-
stoßen, den Ort des ›Edge Effects‹. In dieser Übergangszone,
in der zwei ökologische Gemeinschaften Einfluss aufeinan-
der nehmen können, findet man die größte Vielfalt an Leben
und die größte Vielfalt an neuen Lebensformen.« Ich glaube,
dass es in unseren Zeiten entscheidend ist, solche Übergangs-
zonen in unseren Städten zu kreieren, wo spontaner, offener
Austausch über verschiedene Disziplinen hinweg stattfinden
kann, wo neue Ideen entstehen können, die wesentliche He-
rausforderungen thematisieren.
Ich habe jetzt die einzigartige Möglichkeit, ein führen-
des neues Museum am Schloss Nymphenburg zu schaf-
fen, das zwischen Schlosspark und Botanischem Gar-
ten gelegen ist: BIOTOPIA – Naturkundemuseum Bayern.
BIOTOPIA wird die Neugier auf unsere natürliche Umwelt
und unserer Rolle darin fördern und den Dialog zwischen
Wissenschaft, Kunst und Design anregen. Es wird durch
offene Labore und Citizen Science-Projekte zu aktiver Teil-
nahme und Empathie mit anderen Lebewesen ermutigen,
mit denen wir den Planeten teilen.
WEG VOM KLASSISCHEN
Gedanken verstaubter Vitri-
nen wird BIOTOPIA einen neuen Ort darstellen mit dem
Ziel, Verantwortungsgefühl für unsere Umwelt zu fördern
und der Öffentlichkeit Zugang zu verschaffen zu der aufre-
genden Forschung in den Life Sciences, die gegenwärtig in
Bayern stattfindet.
BIOTOPIA wird über München hinausgehen: Es ist Zentrum
eines bayernweiten Netzwerks von Museen und Schulen, die
gemeinsam darauf hinarbeiten, Menschen für Biologie und
Umwelt zu begeistern.
WORAUF ICH MICH
also besonders freue: Die Gelegenheit,
hier in München und Bayern etwas wirklich Einzigartiges
zu schaffen, den etwas eingestaubten, klassischen Begriff
des Naturkundemuseums neu zu erfinden, ein neues Muse-
um für das 21. Jahrhundert zu kreieren – einen einladenden
sozialen Raum, wo Jung und Alt gleichermaßen begeistert
werden vom Reichtum unserer Natur und vorbereitet auf die
bedeutenden Herausforderungen in unserer Umwelt, denen
wir heute gegenüberstehen.
Professor Dr. Michael John Gorman
ist Gründungsdirektor
des neu entstehenden »BIOTOPIA – Naturkundemuseum
Bayern« und Inhaber des Lehrstuhls für Life Science in Society
an der Fakultät für Biologie der Ludwig-Maximilians-Universi-
tät München.