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aviso 3 | 2017
AFRIKA IN BAYERN
COLLOQUIUM
oder doch wegen Unkunde einer europäischen oder auch nur
der arabischen Schriftsprache nicht im Stande sind, über ihre
früheren Verhältnisse sich genauer zu erklären. / 2.
Morgàn
; –
woher, weiß er nicht; er ist wahrscheinlich ein
Nubier
, – unge
fähr 12 Jahre alt. – / 3.
Bellal
, wurde, wie er sagt, vorhin
genannt
Ghiàlo Djondan Arréh
, und geboren in dem Orte
Dokhok’n
in dem Lande
Kordofan
. Das Alter ist ungefähr
15 Jahre. – 4.
Salim
, in der Heimath genannt
Salim Kamis
Motekudù
, geboren zu
Metkem
im Lande
Darfur
. Sein Alter
scheint zwischen 15 und 16 Jahren zu seyn. / 5.
Hassan
/ :
vorhin genannt
Thinneh (?)
: / geboren in
Kolfan (?)
imLande
Kordofan
– ungefähr 12 bis 13 Jahre alt. / Nach vorausge-
gangenem christl[ichen]Unterrichte wurden selbe getauft
und erhielten folgende Namen – und Taufpathen: / 1.
Has-
san
, Taufname
Maximilian
, Pathe: S[ein]e Hoheit der Her-
zog Max in Bayern, vertreten durch H[er]r[n] Baron Carl
v[on] Busseck
[síc]
. / 2.
Osman
, Taufname
Theodo
, Pathe: Ihre
Hoheit die Herzogin Theodolinde von Leuchtenberg, vertre-
t[en] durch Ignaz Götzl, herzogl[ich] Leuchtenberg[ischer]
Kanzley Sekretär. / 3.
Morgàn
, Taufname:
Alexander
, Pathe:
Graf
Jenison
, Lieutenant im K[öniglichen] Cürassier-
Regimente dahier. / 4.
Bellal
, Taufname
Carolus
, Pathe:
Carl
Tutscheck
[síc]
, Lehrer der fünf Mohren dahier. / 5.
Salim
,
Taufname
Georgius
, Pathe: Georg Lankensperger,
ehemal[iger] Wagenfabrikant dahier. – / Die Taufe geschah
feyerlich in der Kirche amCharsamstage den 30
ten
März 1839
Morgens zwischen 8
½
und 9
½
Uhr, und wurde
praes. R. D.
Parocho ceteroque Clero
vom Domkapitular Titl. H[er]r[n]
Balthasar Speth vorgenommen.«
ährend Osman alias Badià Akafètè Dallè alias Theo-
do, Morgàn alias Alexander, Bellal alias Ghiàlo
Djondan Arréh alias Karl (Carolus) und Salim alias
Salim Kamis Motekudù alias Georg im Haushalt von Her-
zog Max imHerzog-Max-Palais an der Ludwigstraße lebten,
hatte Hassan alias Thinneh (?) alias Maximilian auf Schloss
Burgellern bei Bamberg, dem Familiensitz der Barone von
Buseck, eine neue Heimstatt gefunden, war dort zunächst
eine Zeit lang auf dem freiherrlichen Gute als Gärtner tä-
tig, und erbat später seinen ihm auch gewährten Abschied,
womit sich seine Spur verliert. Die in München wohnenden
Sudanesen wurden ab November 1838 vom Juristen, Prinzen-
erzieher und Sprachforscher Karl Tutschek (1815-1844) – dem
Paten von Ghiàlo Djondan Arréh – unterrichtet. In ständi-
gem Kontakt mit den ehemaligen Sklaven erlernte Tutschek
deren Sprachen und verfasste auf der Grundlage der ihm von
den Sudanesen mitgeteilten Informationen nicht nur ein ers-
tes Oromo (Galla)-Wörterbuch (
Lexicon der Galla Sprache
),
sondern auch die erste Grammatik der Oromo (Galla)-Spra-
che (
A Grammar of the Galla Language
sowie
Grammar and
Dictionary of the Galla Language
), die 1844/1845 posthum
von seinem Bruder Lorenz Tutschek (1817-1888), dem Leib-
arzt von König Ludwig I., herausgegeben wurden.
So avancierte Karl Tutschek zum Pionier der afrikanischen
Sprachforschung; über die von ihm erzielten sprachwissen-
schaftlichen Resultate resümiert Hyacinth Holland (1827-
1918) in seinem Eintrag zu Herzog Maximilian in Bayern in
der
Allgemeinen Deutschen Biographie
(1906): »Die Häup-
ter dieses Menschenquartetts waren aus ihrer Heimath, dem
schwärzesten Afrika, gestohlen und durchHändler nach Cairo
verschleppt: Akafed-e-Dalle aus Borchi in Hambo (Provinz
Liban, vom Stamme der Boranna), welcher außerordentlich
talentvoll und bildungsfähig, die Hauptquelle zur Erforschung
der weichen, fast italienisch-wohlklingenden Gallasprache
abgab, aber schon am 17. Mai 1841
[sic]
in deutscher Erde begra-
ben wurde. Der Zweite, Djalo Djondan Aré, stammt aus dem
Volke der Yumale, geboren als Neffe des Fürsten von Talke
zu Delin-gitte in Tumale-Tokoken, handhabte eine harte, hol-
perige Sprache. MussalamMote-Kutu aus Methem (südlich
von Kobbe), sprach das Darfur-Idiom. Als der originellste
galt der zwölfjährige Denka Awan [= Morgàn], welcher in
zitternder Angst, geschlachtet und verspeist zu werden, sei-
nem neuen Gebieter die Füße küsste und dann sein treues-
ter Diener wurde. Da sich alle des arabischen Vulgärdialektes
in nothdürftiger Weise behalfen, so wurde dieser die Brücke
zur weiteren abendländischen Verständigung für Karl Tut-
schek, welcher (…) damals als Lehrer der neueren Sprachen
für den Prinzen Ludwig thätig, als ausgezeichneter Philolog
auch das Hebräische, Arabische und Sanskrit in den Kreis
seiner Studien gezogen hatte. Mit unermüdlichemEifer legte
er nun dieWünschelruthe seiner Wissenschaft an diese Natur
menschen und gewann ein so ergiebiges Material, daß er schon
am 2. Januar 1841 der Akademie der Wissenschaften eine
Abhandlung über die Gallasprache vorlegen konnte. Kron-
prinz Maximilian war darob so erfreut, daß er daran dach-
te, den unermüdlichen Tutschek durch ein Reisestipendium
für längere Zeit nach Südafrika zu senden, als dessen am
6. September 1844 erfolgter frühzeitiger Tod alle diese lingu-
istischen Pläne brach legte.«
In seiner am 18. März 1841 erschienenen Abhandlung
Ueber
die Galla, mit Rücksicht auf Tumale Darfur und Dar Denka
schreibt Karl Tutschek einleitend: »Zog mich schon die Neu-
heit der Sache an sich sehr an, so war es nochmehr die wissen-
schaftliche Neugierde, ob es nicht möglich sey, wissenschaftlich
Interessantes über die Heimath und die früheren Verhältnisse
dieser armen Kinder zu erfahren und so vielleicht nur Etwas
zur näheren Erforschung des noch so sehr unbekannten Africa
beytragen zu können.« Über den von Tutschek aus diesem
Kontakt erhofften wissenschaftlichen Ertrag heißt es dann:
»Ich lernte dort vor allem die Leute kennen, mit denen ich es
zu thun hatte und erfuhr, daß ich die Repräsentanten
von
vier verschiedenen Völkern
, einen
Galla
, einen
Umale
, einen
Darfurianer
und einen aus
Dar Denka
vor mir hatte, die aus
ihrer Heimath gestohlen und durch die Barbarey des ägypti-
schen Sklavenhandels aus dem Innern von Afrika an den Nil
verkauft, nur durch das Bedürfniß gegenseitiger Verständi-
gung gezwungen waren, sehr dürftig den arabischen Vulgar-
dialect radebrechen zu lernen, selbst aber
vier
von einander
ganz verschiedene, weder unter sich nochmit den bekannten
afrikanischen, namentlich mit dem semitischen, verwandte
Sprachen als Muttersprachen reden – ferner daß 3 von ihnen
bey der Acquisition durch den Herrn Herzog, nicht länger