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Einsichten und Perspektiven 4 | 15
Bastei verstärkt. Auf der gleichen Seite wie die Alte baute
man 1607–1613 die Neue Bastei, ein Fünfeckbau mit
Geschützen auf drei Ebenen. Etwa um diese Zeit vollen-
dete Rothenburg die Spitalbastei. Um eine Stadt noch stär-
ker zu befestigen, wurden Steinschanzen vor Graben und
Wall hochgezogen oder, wie in Nürnberg, weit an die Peri-
pherie gelegt. Es waren Drei- und Fünfeckschanzen oder
Polygonalbasteien, die einen vollständig mit Defensivar-
tillerie geschützten Ring bilden konnten. Sie haben auch
das äußere Bild der Stadt völlig verändert. Wenn man sich
ihr näherte, sah man nicht die turmreiche mittelalterliche
Mauer, sondern stieß auf ein System gemauerter Wälle.
Keine Mauern im Kopf
Wofür steht die mittelalterliche Stadtmauer? Für Enge
und Beschränkung oder für Freiheit, Sicherheit und Bür-
gerstolz. In der mittelalterlichen Sicht stand wohl eher
Letzteres im Vordergrund. Die Mauer bot Schutz in fried-
loser Zeit, die das Gewaltmonopol noch nicht kannte.
Hinter den Mauern galt die Herrschaft des Rechts und
nicht die Willkür der Fehde. Die Stadtmauer war nicht
nur funktional im militärischen Sinn; sie erfüllte auch
Repräsentationsbedürfnisse. Zu den Kosten für den Mau-
erbau gehörten auch die Honorare für Malermeister, die
den Reichsadler an einem Tor erneuern oder ein religiöses
Motiv anbringen durften. Hinter Mauern zu leben, bedeu-
tet nicht, eine solche auch im Kopf zu haben. Jedenfalls
die politischen und wirtschaftlichen Eliten haben euro-
päisch gedacht. Man muss sich nur Kaufmannskarrieren
im Hanseraum oder auch in Süddeutschland anschauen.
Städte, von denen hier mehrfach die Rede war, wie Nürn-
berg, Augsburg, Ulm oder Nördlingen, haben für einen
europäischen Markt produziert und hatten einen ent-
sprechend weiten Horizont. Ist etwas von der positiven
Konnotation der mittelalterlichen Stadtmauer geblieben?
Wir schützen unsere Anwesen, nicht unbedingt durch
eine Mauer (wie dies bei Objekten des Reichtums in Län-
der der Dritten Welt geschieht), aber durch Hecken und
Zäune und markieren den Bereich, in dem wir frei, sicher
und unbehelligt sein wollen.
Stadtseitige Ansicht der Nördlinger Mauer am Deininger Tor. Am Deininger Torturm wurden 1519 die oberen Stockwerke abgetragen und durch einen runden
Aufbau ersetzt. Vom gotischen Turm mit quadratischem Grundriss sind die unteren Stockwerke erhalten.
Foto: Siegfried Münchenbach