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Brexit-Online oder die trügerische Hoffnung der Jugend
Einsichten und Perspektiven 2 | 16
Interview mit StDin Sabine
Schmidt-Freisberg, Seminarlehrerin
für das Fach Englisch und Kurslei-
terin des 1e2 Kurses amTheresien-
Gymnasium am 22.03.2016
Landeszentrale:
In welchem Rahmen
wurden Ihre Schüler an das Thema
Brexit herangeführt?
Sabine Schmidt-Freisberg:
Im Rah-
men des Englischunterrichts der Q11
am Gymnasium im Fach Englisch,
in der auch das britische Regierungs-
und Wahlsystem behandelt werden
sowie Besonderheiten in der briti-
schen Gesellschaft und die grundsätz-
liche Haltung zu Europa. (All diese
Inhalte werden vom Lehrplan gefor-
dert und lassen sich direkt mit dem
Brexit in Verbindung bringen.)
Wie bewerten die Schüler die Diskussion um einen Ausstieg
aus der Europäischen Union?
Zunächst zurückhaltend, zumal sie sich nicht als direkt
Betroffene sehen. Erst durch die Beschäftigung mit dem
Brexit im Englischunterricht und durch den unmittelba-
ren Kontakt mit der englischen Schule in der Videokonfe-
renz entwickelten sie deutlich mehr Interesse und sind sich
nun auch der möglichen Folgen für ihr eigenes Leben, für
Deutschland und die gesamte EU bewusst. Grundsätzlich
stehen die Schüler Großbritannien als europäischem Land
sehr positiv gegenüber und fänden einen Austritt unpas-
send bzw. bedauernswert.
Haben Ihre Schüler Verständnis für die Argumente der
Brexit-Befürworter?
Zum Teil, aber sie sind davon überzeugt, dass die nega-
tiven wirtschaftlichen Folgen eines Brexit weit schwerer
wiegen als die Argumente der LEAVE-Campaign.
Wodurch werden Ihre Schüler am meisten in ihrer Mei-
nungsbildung beeinflusst?
Vor allem durch die im Unterricht behandelten Inhalte
(Zeitungsartikel, Ausschnitte aus Nachrichtensendungen)
sowie durch Nachrichtensendungen im deutschen Radio
und Fernsehen und in der Zeitung. Auch die Meinung der
eigenen Eltern spielt hier eine Rolle.
Welchen Stellenwert hat ein Austritt Großbritanniens aus
der EU für Ihre Schüler?
Da sie sich eher als Zuschauer denn als Betroffene sehen,
haben sie zwar durchaus ein Interesse am Brexit und des-
sen Folgen, aber eben aus sicherer Entfernung. Sie sind
sich jedoch im Klaren darüber, dass es sich beim Brexit um
ein historisches Ereignis von potentiell enormer Tragweite
handelt, dessen Folgen noch viele Jahre zu spüren sein
werden. Schüler mit persönlichen/familiären Kontakten
nach Großbritannien sind deutlich besorgter und fürch-
ten eine Beeinträchtigung ihrer Möglichkeiten in Groß-
britannien zu studieren, zu arbeiten oder Freunde/Familie
zu besuchen.
Was waren für Ihre Schüler die wichtigsten Argumente für
und gegen ein Verbleiben in der EU?
Die negativen wirtschaftlichen Folgen für Großbritannien
und die EU sowie ein möglicher Zusammenbruch der EU
selbst sind die wichtigsten Argumente für einen Verbleib
in der EU. Die Idee, selbstbestimmt zu regieren und sich
von EU-Bestimmungen frei machen zu können sowie die
Möglichkeit, die Einwanderung besser zu kontrollieren/
beschränken zu können, sind die Hauptargumente für
einen Austritt aus der EU.
Der Englischkurs von Sabine Schmidt-Freisberg (im Bild unten rechts) während der Diskussion
Foto: Philipp Rabl