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Einsichten und Perspektiven 3 | 17

ren Zarismus erhoffte, um so den revolutionären Bewe-

gungen mächtigen Auftrieb zu geben. Mit „banalen Phra-

sen über den Frieden“ – so Lenin – sei den unterdrückten

Klassen nicht geholfen. Der imperialistische Krieg mache

vielmehr den Weg für „einen neuen gewaltigen Krieg“

frei, für den „Krieg des Volkes gegen die Selbstherrschaft,

den Krieg des Proletariats für die Freiheit.“

11

Lenins Vertrauen auf die revolutionäre Hebelwirkung

des Kriegs sollte sich 1905 bestätigen. Mit Beginn des Rus-

sisch-Japanischen Kriegs verschärften sich die sozialenMiss-

stände und die allgemeine Unzufriedenheit. Heftige Pro-

teste gab es vor allem gegen die forcierte Einberufung von

Reservisten. Ferner kam es vielerorts zu Versorgungsengpäs-

sen, die Bauern und Arbeiter in ihren prekären Lebensver-

11 Zit. n. Dietrich Geyer: Die Russische Revolution, Göttingen

4

1985, S. 48.

hältnissen besonders stark zusetzten. Die gesellschaftlichen

Entwicklungen schienen immer mehr außer Kontrolle zu

geraten, zumal die beschämende Kriegsniederlage im Fer-

nen Osten neben dem außenpolitischen Prestigeverlust

gleichfalls einen Autoritätsverlust der russischen Regierung

im Inneren heraufbeschwor.

12

In dieser äußerst angespannten Situation versuch-

ten einige Regierungsvertreter, die Lage durch kleinere

Zugeständnisse wie Lockerung der Pressezensur und die

Freilassung von Oppositionellen zu entschärfen. Die libe-

rale Zemstvo-Bewegung und die Berufsverbände der Bil-

dungsschichten begannen, sich im Einvernehmen mit dem

Innenministerium politisch zu organisieren. Sie gründeten

mit dem „Bund der Bünde“ einen Dachverband, den der

Historiker Pavel Miljukov (1859-1943) leitete. Die Libe-

ralen zeigten sich dialogorientiert, um gemeinsam mit der

Regierung die erwünschten politischen Veränderungen

auf friedlichem Weg zu erreichen. Nachdem Nikolaj II.

12 Jan Kusber: Krieg und Revolution in Russland. Das Militär im Verhältnis zu

Wirtschaft, Autokratie und Gesellschaft, Stuttgart 1997, S. 58-65.

Der Russische Revolutionszyklus, 1905-1932

„Vater“ Gapon, Führer der Demonstranten, tritt den zarischen Truppen entge-

gen. Zeichnung von Arthur Garratt, 1905

Abbildung: Interfoto/Mary Evans

Vladimir I. Lenin. Polizeifoto aus dem Jahr 1905

Foto: picture alliance/akg