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Die Bayerische Verfassung in der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

Einsichten und Perspektiven 3 | 16

Maßstab aller als verletzt gerügten, in der Bayerischen Ver-

fassung verbürgten Grundrechte prüfen. Er hat die Verfas-

sungsbeschwerde abgewiesen und ausgeführt, dass weder

das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch Verfahrensgrund-

rechte einer Befassung des Parlaments mit Angelegenheiten

entgegenstehen, die auch Gegenstand von Strafverfahren

sind oder waren. Die parlamentarische und die gerichtli-

che Sachaufklärung seien auf unterschiedliche Ziele gerich-

tet. Soweit die Fragestellungen des Einsetzungsbeschlusses

abgeschlossene gerichtliche Verfahren betreffen, sei er nicht

darauf gerichtet, die in diesen Verfahren ergangenen rechts-

kräftigen Entscheidungen infrage zu stellen. Mit Blick auf

ein laufendes Strafverfahren hat der Verfassungsgerichts-

hof allerdings deutlich gemacht, dass der Untersuchungs-

ausschuss nicht auf diesen Prozess einwirken oder dessen

Ergebnis durch eigene strafbarkeitsbezogene Bewertungen

vorwegnehmen dürfe. Bei der Durchführung der Untersu-

chung müsse daher zwingend beachtet werden, dass eine

strafrechtliche Einzelfallwürdigung vom Untersuchungs-

auftrag des Landtags nicht mehr gedeckt wäre. Auch dürf-

ten die für das laufende Strafverfahren zuständigen Richter

nicht dazu verpflichtet werden, ihre verfahrensleitenden

Entscheidungen gegenüber dem Untersuchungsausschuss

schriftlich oder mündlich in irgendeiner Weise zu erläutern.

3. Organ- oder Verfassungsstreitigkeiten

Verfassungsbeschwerden gegen Einzelfallentscheidungen

der Gerichte und Behörden sowie Popularklagen gegen

Rechtsnormen – das sind die Verfahrensarten, die auch

einzelne Bürgerinnen und Bürger einleiten können. In

den übrigen Verfahren können Anträge meist nur von

Staatsorganen oder Teilen davon gestellt werden, das heißt

zum Beispiel vom Landtag, von Landtagsabgeordneten,

von der Staatsregierung. Solche Verfahren gibt es zwar von

der Zahl her wenige, das einzelne Verfahren hat aber oft

große politische Bedeutung, stößt auf reges öffentliches

Interesse und kann viel Arbeit verursachen. Vor allem sind

hier die Organ- oder Verfassungsstreitigkeiten zu nennen.

In diesen Verfahren geht es in erster Linie um Streitig-

keiten innerhalb des Staatsgefüges, also grob gesagt darum,

ob ein oberstes Staatsorgan durch ein anderes in seiner

verfassungsrechtlichen Stellung verletzt wird. Gegenstand

eines Organstreits kann zum Beispiel die Frage sein, ob

die Staatsregierung unter Verstoß gegen die Verfassung in

Rechte des Landtags eingegriffen hat. Auch innerhalb eines

obersten Staatsorgans kann es zu einem Organstreit kom-

men, etwa zu der Frage, ob die Mehrheitsfraktion des Land-

tags Minderheitenrechte der anderen Fraktionen verletzt

hat. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof muss durch

seine Entscheidung dafür sorgen, dass das Zusammenspiel

zwischen den Staatsorganen nach den Spielregeln der Ver-

fassung abläuft. Gleichzeitig ist in Organ- oder Verfassungs-

streitigkeiten häufig die Interpretationsfunktion des Verfas-

sungsgerichtshofs gefragt, weil die Verfassung die Stellung

der Staatsorgane zueinander nur in den Grundsätzen regelt

und somit oft ausfüllungsbedürftig ist.

So musste sich der Verfassungsgerichtshof in Organ-

streitverfahren mehrfach mit der Frage auseinandersetzen,

ob die Staatsregierung parlamentarische Anfragen von

Oppositionsfraktionen des Bayerischen Landtags ausrei-

chend beantwortet hat. Der Ausgangspunkt für die Lösung

dieser Streitfälle ist klar. Zu den wichtigsten Aufgaben des

Landtags gehört die Kontrolle der Staatsregierung. Um die

für die Kontrolle erforderlichen Informationen gewinnen

zu können, besteht ein parlamentarisches Fragerecht. Die

Staatsregierung ist dementsprechend verpflichtet, Anfragen

des Landtags zu beantworten. Der Verfassungstext enthält

hierzu jedoch keine näheren Regelungen, etwa über den

Umfang der Antwortpflicht. In Art. 13 Abs. 2 ist ledig-

lich der Grundsatz der Unabhängigkeit des Abgeordneten

festgelegt. Speziell zu den Rechten der parlamentarischen

Opposition ist dem Art. 16 a Folgendes zu entnehmen:

„(1) Parlamentarische Opposition ist ein grundlegen-

der Bestandteil der parlamentarischen Demokratie.

(2) Die Fraktionen und die Mitglieder des Landtags,

welche die Staatsregierung nicht stützen, haben das Recht

auf ihrer Stellung entsprechende Wirkungsmöglichkeiten

[…]“

Der Verfassungsgerichtshof hat die Aufgabe, auf der

Grundlage dieser allgemein gehaltenen Verfassungsbe-

stimmungen im Einzelfall festzustellen, ob bestimmte par-

lamentarische Anfragen ausreichend beantwortet wurden.

Er gibt dadurch gleichzeitig Leitlinien für die Beantwor-

tung künftiger Anfragen. Allein im Jahr 2014 hatte der

Verfassungsgerichtshof drei solcher Organstreitverfahren

wegen parlamentarischer Anfragen zu entscheiden.

Im ersten dieser Verfahren trugen die Antragsteller vor,

die Staatsregierung habe eine Reihe von Anfragen zur

Tätigkeit des Bayerischen Landesamts für Verfassungs-

schutz nicht hinreichend beantwortet. Die Entscheidung

des Verfassungsgerichtshofs vom 20. März 2014 ent-

hält allgemeine Feststellungen zum Umfang und zu den

Grenzen der Auskunftspflicht der Staatsregierung, gerade

auch mit Blick auf den Geheimnisschutz. Die Pflicht zur

Beantwortung parlamentarischer Anfragen entfalle nicht

dadurch, dass das Staatsministerium des Innern bereits

dem – geheim tagenden – Parlamentarischen Kontrollgre-

mium über die Tätigkeit des Landesamts für Verfassungs-