1/2014
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Grenzen in Auflösung
So, wie die Befragten Grenzen
zwischen Stilen und Genres auf-
lösen oder einfach nicht mehr
beachten, legen sie auch kaum
Wert auf starre Abgrenzung oder
Gegnerschaft gegenüber der äl-
teren Generation. Das Gegenteil
ist der Fall: Erwachsene haben an
Vertrauen gewonnen, insbesonde-
re gegenüber Ärzten, Polizisten,
Trainern und Lehrern gibt es einen
Vertrauenszuwachs und die Eltern
sind geschätzte Ratgeber etwa bei
Schulproblemen. Das Neben- und
Miteinander ist relativ stressfrei.
Die Entgrenzung zeigt sich auch
zwischen Kindern und Jugend-
lichen. Gab es noch vor einigen
Jahren eindeutige jugendtypische
Szene- und Kultur-Refugien, grei-
fen heute bereits Kinder verstärkt
darauf zu. Kommunikationsnetz-
werke werden völlig selbstver-
ständlich genutzt. Fast alle Be-
fragten besitzen ein Handy oder
Smartphone. Hier deutet einiges
darauf hin, dass sich die Grenzen
zwischen Kindheit und Jugend in
Auflösung befinden. Mitverant-
wortlich dafür ist der Besitz des
ersten Handys beziehungsweise
Smartphones, der biografisch häu-
fig mit dem Ende der Kinderspiele
zusammenfällt und für die Kinder
eine Art „Sesam öffne dich“ in die
Jugendphase darstellt.
Schule und Bildung
Schule und Bildungs-
abschlüsse haben an
Bedeutung hinzuge -
wonnen: Drei Viertel der
befragten 13- bis 18-Jäh-
rigen wollen – über
alle Schulformen hinweg – das
Abitur erreichen. Auch Noten sind
wichtiger geworden; sie spielen für
das Wohlbefinden in der Schule
eine noch größere Rolle als in der
Vorgängerstudie. Aber auch in der
Clique finden gute Noten breite Zu-
stimmung. Demgegenüber findet
ein hoher Lernaufwand oder das
Lesen in der Freizeit bei weitem
weniger Anerkennung: gute Noten
ja, könnte man formulieren, aber
bitte ohne (allzu) großen Aufwand.
Die Schule ist der zentrale Ort
für soziale Kontakte. Im Vergleich
mit der Vorgängerstudie hat die
Bedeutung der
Schule als „so-
ziale Arena“ zu-
genommen. Das
Klima innerhalb
der Schule und
Klasse ist jedoch
nicht durchweg
positiv. Schuli-
sche Gewalter-
fahrungen gehören zwar nicht zum
Alltag der Mehrheit der Schüler –
allerdings muss davon ausgegan-
gen werden, dass etwa jeder achte
Schüler im letzten Jahr Opfer von
Mobbing war.
Familie, Vorbilder und Freunde
Die Familie ist für die Befragten
zentral, weil die meisten Kinder
und Jugendlichen dort Unterstüt-
zung, Trost und Rat finden. Auch
die Großeltern, insbesondere die
Großmutter, stellen eine wichtige
Stütze dar. Die Eltern, vor allem
die Mutter, sind als Vorbild in den
letzten Jahren noch wichtiger ge-
worden. Eine große Mehrheit der
Befragten würde ihre Kinder genau
so oder so ähnlich erziehen, wie
sie selbst erzogen worden sind.
Die Frage, ob sie selbst eine eige-
ne Familie brauchen, um glücklich
zu werden, wird denn auch mit
fast 90 Prozent befürwortet; der
Wunsch nach eigenen Kindern
fällt jedoch mit rund 40 Prozent
niedriger aus. Danach gefragt,
wie sie sich die eigene (künftige)
Partnerschaft vorstellen, stehen
Treue und Zuverlässigkeit an erster
Stelle, weit vor der Bedeutung von
Sexualität. Beziehungen von Dauer
sind die Hoffnung. Das heißt aber
nicht, dass einfach
ein alter wert
konservativer Rah-
men übernom-
men wird. Die
Vorstellungen zur
Partnerschaft tra-
gen neue und ei-
gene Züge. „Spaß
haben“ beispiels-
weise ist in einer Beziehung sehr
wichtig, aber auch Kritikfähigkeit
ist gefragt, „Fremdgehen“ kommt
nicht in Frage. Freundschaften
sind nicht beliebig; der beste
Freund beziehungsweise die bes-
te Freundin sind nach wie vor für
eine überwiegende Mehrheit von
großer Bedeutung, darauf folgt die
Clique.
„Anything goes“ – aber zum Preis
der Qual der Wahl und der Sorge,
dass man etwas verpassen oder
sich falsch entscheiden könnte.
Eine große Mehrheit
der Befragten würde
ihre Kinder genau so
oder so ähnlich erziehen,
wie sie selbst erzogen
worden sind.