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aviso 1 | 2017

NISCHEN IM FOKUS

:

COLLOQUIUM

ÜBERZEUGUNGSTÄTER

UND TRÜFFELSCHWEINE

Text:

Sebastian Zembol

NATÜRLICH GAB ES

sie schon vorher, aber vor gut zehn Jahren bewegten sich die

unabhängigen Verlage schlagartig aus demWindschatten der Publikumsverlage

heraus. Etablierten Häusern wie Hanser, Suhrkamp und Rowohlt wurde ihr bis-

lang unbestrittener Einfluss auf den Literaturbetrieb von den neuen Independent-

Verlagen wie Blumenbar oder Kookbooks, Voland & Quist, Verbrecher Verlag

abspenstig gemacht. Die Kreativwirtschaft hält auch in der Buchbranche Einzug –

und bekommt ein Forum: engagierte junge Verlage präsentieren sich auf den

Buchmessen. Und wo sich anfangs viele zusammentaten, präsentiert sich nun ein

Großteil am eigenen Stand und auf ganz individuelle Weise. Dank des Einsat-

zes der Kurt-Wolff-Stiftung firmiert das beliebte Veranstaltungsforum »Berliner

Zimmer« auf der Leipziger Buchmesse nun unter demLabel »Die Unabhängigen«.

Es gibt eine »Hotlist der unabhängigen Verlage«, einen »Indiebooks-Day«, einen

Markt der unabhängigen Verlage und vieles mehr. Aber die Titel der sogenann-

ten unabhängigen Verlage stürmen auch die großen Buchpreise: In den letzten

Jahren stammen die PreisträgerInnen mit Melinda Nadj Abondij, Frank Witzel,

Guntram Vesper, Ursula Krechel und vielen mehr zum großen Teil aus ihren Rei-

hen. Die Independent Verlage sind inzwischen fester Bestandteil des Literatur-

betriebs. Wo manch einstiger Vorreiter unter das vermeintlich schützende Dach

eines Publikumsverlags geschlüpft ist (vgl. Blumenbar und Tropen), rücken doch

immer wieder neue Verlage nach, bringen frischen Wind und einmal mehr die

vielzitierte Vielfalt in die Buchbranche. Gut 120 unabhängige Verlage zählt die

Kurt-Wolff-Stiftung hierzulande.

Doch mit dem rechtskräftigen sog. »VG-Wort-Urteil« aus dem Frühjahr des ver-

gangenen Jahres, das die Verlage zu einer Rückzahlung der anteiligen Einnahmen

aus den Bibliotheks- und Kopiergerätnutzungen verpflichtete, erfuhr gerade die-

ses Segment der Buchbranche eine gravierende Bedrohung. Gerade für die klei-

nen Verlage ist die Rückzahlungsaufforderung – zum Teil in fünfstelliger Höhe –

existenzgefährdend. Für nicht wenige ist hier der Schritt in die Insolvenz nicht

mehr weit. Grundsätzlich treibt dieses Urteil einen Keil in das bis dato auf Kon-

sens basierende Verhältnis zwischen Verlag und Autoren, dass die erwirtschaf-

teten Gelder anteilig auch an den Verlag ausgezahlt werden. Folglich stellt es die

Wertschätzung für das, was Verlage zum Erscheinen eines Buches – von der Ent-

wicklung der Projektidee, über das Lektorat, die Herstellung, das Marketing und

den Vertrieb – grundlegend beitragen, in Frage und damit ihre Existenzberechti-

gung. Alarmierende Aufrufe und Appelle gegen diese Entwicklung, von der letzten

Endes niemand anders als die Internetkonzerne Google und Amazon profitieren

würden, folgten von Seiten engagierter VerlegerInnen wie Britta Jürgs und Jörg

Sundermeier ebenso wie von den AutorInnen selbst. Die damit in Gang gesetzte

Debatte blieb nicht ohneWirkung: Karenzfristen wurden diskutiert, ein kollektives

Verrechnungsverfahren, das es den AutorInnen ermöglicht, die auf den Ausschüt-

tungsansprüchen basierenden Rückzahlungen an die Verlage abzutreten, wurde

Ein Streifzug durch die unabhängige Verlagslandschaft in Bayern