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Arten zusammensetzt, welche die meisten Feldführer auflisten und abbilden: Nein,
Zoodiversität besteht zu weit über 80% aus der Fraktion »klein, schwarz oder weiß
und hässlich«: das Heer der kleinen Insekten (insbesondere Käfer, Fliegen, Mücken
und Kleinwespen-Verwandte), Milben, oder die diversen Wurmgruppen. Diese
Vielfalt und deren Veränderung präzise zu erfassen, ist ungemein zeitaufwändig
und damit teuer, und erfordert insbesondere Spezialisten (»Artenkenner«) in
nahezu jeder betroffenen Tiergruppe – die gibt es allerdings immer seltener.
eit nunmehr fast acht Jahren geht die Zoologische Staatssammlung Mün-
chen (ZSM) im Rahmen einer globalen Initiative daher einen völlig neuen,
hochgradig technisierten Weg der Arterfassung und -bestimmung: DNA-
Barcoding ist das Zauberwort. Analog zum Vorgehen der Kriminalpolizei bei
DNA-Spuren der Täter können durch Sequenzvergleich bestimmter, bei Tieren
meist mitochondrialer Gene die Arten aller Tiergruppen sauber getrennt und
damit bestimmt werden. Damit verlagert sich das Problem der Bestimmung von
überlasteten Experten in die molekulargenetischen Labors der Wissenschaftler.
Ein großer Vorteil: der genetische Fingerabdruck bleibt das ganze Leben unver-
ändert, daher ist eine einmal erfasste artspezifische Gensequenz auch für Eier,
Larven oder selbst Überreste derselben Tierart anwendbar. Die Empfindlichkeit
der Methode erstaunt selbst die Experten immer wieder: So genügt beispielsweise
1 Liter Wasser aus einem Fischteich, um etwa den geschützten Fischotter oder
aber den eingeschleppten Amerikanischen Nerz (Mink) nachzuweisen.
Die ZSM beherbergt als Forschungssammlung derzeit rund 25 Millionen zoolo-
gischer Objekte und gehört als Teilinstitution der Staatlichen Naturwissenschaft-
lichen Sammlungen Bayerns (SNSB) zu den weltweit größten naturkundlichen
Sammlungen, die Schmetterlingssammlung der ZSM gilt mit über 11 Millionen
Exemplaren sogar als die größte der Welt. ImRahmen der Initiativen »Barcoding
Fauna Bavarica« (BFB) und »German Barcode of Life« (GBOL) verfolgen die Mün-
chener Forscher und ihre Kollegen das ehrgeizige Ziel, alle deutschen Tierarten
genetisch zu erfassen und in einer Online-Bibliothek für alle Interessenten, also
Amateure, Fachleute, aber auch etwa Behörden, weltweit zur Verfügung zu stellen.
achdem die Forscher der ZSM über Jahre hinweg eine genetische Biblio-
thek von über 17000 bayerischen Tierarten angelegt hatten, schlug im
Sommer dieses Jahres nun die Stunde der Wahrheit für die erste Breit-
band-Anwendung bzw. Auswertung der neuen Methode. Als Teil eines internati-
onalen Insektenfang-Projekts (Global Malaise Programm, GMP) war bereits im
Sommer 2012 imNationalpark Bayerischer Wald eine sogenannte Malaise-Falle
aufgestellt worden. Malaise-Fallen sind zeltartige Gebilde, die sich besonders gut
zur Erfassung der Biodiversität kleiner, flugaktiver Insekten eignen. Während der
nur fünf Monate dauernden Fangzeit wurden fast 30000 Insekten gesammelt.
Diese immense Zahl, deren Bestimmung nach klassischen Methoden viele Spe-
zialisten viel Zeit gekostet hätte, konnte nun dank DNA-Barcoding nicht weniger
als 2530 Arten zugeordnet werden.
Diese große Artenfülle aus nur einer einzigen Falle in nur wenigen Monaten war
zunächst ausgesprochen überraschend: In den bisherigen Langzeiterfassungen,
das heißt über viele Jahre hinweg, wurden für den Nationalpark insgesamt erst
3257 Insektenarten sicher nachgewiesen, Schätzungen sprachen von ca. 4000
Arten. Es ist daher zu vermuten, dass der Nationalpark noch viele bisher nicht
erfasste »Krümelmonster«, d. h. Kleintiere bis zu 2 mmKörperlänge, beherbergt.
Die nunmehr nach oben korrigierten Schätzungen gehen derzeit von über 7000
Insektenarten für den Nationalpark Bayerischer Wald aus. Diese unerwartet
hohe Zahl an Arten stellt demNationalpark Bayerischer Wald ein hervorragendes
Zeugnis aus: Nicht zu Unrecht gilt der Nationalpark als eines der 30 so genannten
»Hotspots«, also Gebiete mit besonders hoher biologischer Vielfalt in Deutschland.
links
Gnorimus nobilis (Grüner Edelscharrkäfer,
15-18 mm) ist ein Vertreter der Rosenkäfer.
Die metallische Farbe wird dabei durch
Lichtreflexion an hauchdünnen Chitinlamellen
verursacht. Die Larven sind Engerlingen
(Maikäferlarven) sehr ähnlich, leben aber im
Mulm der Baumhöhlen von Laubbäumen.
darunter
Die Malaisefalle des Projektes auf
einer sich nach Schädlingsbefall regene-
rierenden Lichtung im Nationalpark Bayeri-
scher Wald.
darunter
Langsam vermoderndes Totholz
ist eine wichtige Nische für viele Tierarten im
Nationalpark Bayerischer Wald.
unten
Keine Schmetterlingsraupe, sondern die
Larve einer seltenen Blattwespen-Art,
Nematus fagi, die gerade ein Buchenblatt
(Fagus sylvatica) verspeist.
S
N