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Das britische EU-Referendum
Einsichten und Perspektiven 2 | 16
ales Deutschland in der EU zu warnen. Hierbei wird vor
allem die gemeinsame europäische Währung als Versuch
Deutschlands gewertet, die EU schrittweise in Richtung
eines föderalen Zentralstaates zu entwickeln.
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Sogar Boris
Johnson verglich die EU erneut mit Nazi-Deutschland. In
einem Interview mit der britischen Tageszeitung
The Tele-
graph
am 15. Mai 2016 betonte Johnson, dass er davon
überzeugt sei, dass die „Bürokraten in Brüssel“ genau wie
Adolf Hitler „Europa unter eine Autorität vereinen“ woll-
ten.
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Die Konservative Partei hat sich in der Nachfolge
Thatchers seit den 1990er Jahren weitgehend in Rich-
tung einer zutiefst europaskeptischen Partei entwickelt.
John Major war der letzte Parteiführer der Konservativen,
der noch einen pragmatisch pro-europäischen Kurs ver-
trat. Nachdem Majors Regierung zunehmend unter dem
Druck der internen Machtkämpfe zwischen Europaskep-
tikern und Pragmatikern zerbrach und im Mai 1997 eine
historische Wahlniederlage erlitten hatte, übernahmen
die Europaskeptiker das Ruder in der Partei. Seit 1997
waren alle Parteivorsitzenden der Konservativen mehr
oder weniger Europaskeptiker, was auch den ehemaligen
Vorsitzenden und Premierminister David Cameron ein-
schloss. Cameron konnte den Parteivorsitz nach wieder-
holten Wahlniederlagen seiner Partei 2005 nur dadurch
erringen, dass er deutliche Zugeständnisse gegenüber den
kompromisslosen Europaskeptikern in der Partei machte.
Dazu gehörte das Versprechen, die britische EU-Mit-
gliedschaft wiederum neu zu verhandeln und die britischen
Wähler in einem Referendum über die Verhandlungsergeb-
nisse abstimmen zu lassen. Cameron verfolgte auch nach
seiner Wahl als Premierminister 2010 einen sehr defensi-
ven europapolitischen Kurs, bei dem er den von Thatcher
propagierten „Souveränitätsfetisch“
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weiterverfolgte. In
der Folge gingen von der Regierung Cameron kaum euro-
papolitische Initiativen aus. Stattdessen hat Cameron, der
unmittelbar nach dem Brexit zurückgetretene Premier, sich
darauf beschränkt, Großbritannien aus jeglicher Vertiefung
der politischen Kooperation in der EU herauszuhalten,
wie durch sein Veto gegen den europäischen Fiskalpakt im
Dezember 2011 deutlich geworden war.
21 John Redwood: Our Currency, our Country: The Dangers of European Mo- netary Union, London 1997, S. 33; John Redwood: Thank you, Mrs Merkel, http://johnredwoodsdiary.com/ [Stand: 11.06.2016]. 22 Tim Ross: The EU wants a superstate, just as Hitler did, Daily Telegraph 15.06.2016, http://www.telegraph.co.uk/news/2016/05/14/boris-johnson- the-eu-wants-a-superstate-just-as-hitler-did/ [Stand: 11.06.2016].23 William E. Paterson: Britain and German Leadership: Drifting towards the
Exit? Taking Stock of Britain‘s EU Membership after 40 years, hg. v. Chris-
tian Schweiger, Augsburg 2015, S. 126–150, hier S. 42.
Mit der Ausnahme der ersten Amtszeit der
New-Labour
-
Regierung von Premierminister Tony Blair vor dem Aus-
bruch des Irak-Krieges (1997 bis 2001), während der
Blair eine sehr engagierte pragmatische und konstruktive
Europapolitik verfolgt hatte, hat sich die britische Euro-
papolitik parteiübergreifend beständig an Thatchers iso-
lationistischer Einstellung orientiert. Blair vollendete den
Wandel der Labour-Partei hin zu einer pragmatisch pro-
europäischen Partei, den er als Teil der Modernisierung
der Partei und ihrer politischen Ausrichtung in Richtung
der politischen Mitte verstand. Das erste Kabinett Blair
positionierte sich durchgehend pro-europäisch. Der Pre-
mier konnte den europäischen Partnern deshalb über-
zeugend vermitteln, dass er einen Wandel der britischen
Europapolitik in Richtung kooperativem Pragmatismus
anstrebe. Er vertrat dabei die Position, dass Großbritan-
nien in der EU eine führende Rolle übernehmen müsse
und begründete dies nicht nur mit der Notwendigkeit,
institutionelle Reformen der EU voranzutreiben, sondern
auch damit, eine führende Rolle Großbritanniens in der
EU würde deren internationales Ansehen stärken. Damit
positionierte er sich in deutlichem Gegensatz zur passiven
und überwiegend defensiven Europapolitik der konserva-
tiven Vorgängerregierung Major, deren Isolationismus aus
seiner Perspektive britischen Interessen geschadet hätte.
24
24 Hugo Young: This blessed plot. Britain and Europe from Churchill to Blair,
London 1998, S. 485.
Die Achse Paris – Berlin – London: Während der Regierung Premierminister
Tony Blairs (r., hier bei einem Treffen mit dem französischen Präsidenten
Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2004) rückte
Großbritannien näher an die EU heran.
Foto: ullstein bild – Boness/IPON