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Einsichten und Perspektiven 2 | 16
staaten Maine und Nebraska, doch deren vier bzw. fünf
electoral votes
fallen kaum ins Gewicht.
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Die Kombination aus leichter Überrepräsentierung der
bevölkerungsarmen Staaten und
winner-takes-it-all
-Prinzip
kann in seltenen Fällen zu einer Verzerrung des Wahler-
gebnisses führen. Manchmal gewinnt ein Kandidat viele
bevölkerungsarme Staaten und das Ergebnis ist insgesamt
sehr knapp. Dann kann es geschehen, dass ein Kandidat das
electoral college
gewinnt, obwohl er in den gesamten USA
zusammengerechnet weniger
popular votes
hatte. So gesche-
hen im Jahre 2000: George W. Bush hatte nur 47,9 Prozent
der
popular votes
, jedoch 271
electoral votes
; Al Gore gewann
48,4% der
popular votes
, jedoch nur 266
electoral votes.
Das erscheint nun ungerecht und ist es vielleicht auch,
es gilt jedoch zu bedenken, dass solche Ergebnisse selten
sind (nur 1876, 1888 und 2000) und vor allem, dass die
Gesamtzahl der
popular votes
im US-Wahlrecht nun mal
keine Rolle spielt. Es gibt keine Gesamtwahl, sondern wie
oben beschrieben 51 Präsidentschaftswahlen, die alle se-
parat ausgezählt werden.
Swing States
Das
winner-takes-it-all-
Prinzip führt zu einem weiteren
seltsam anmutenden Phänomen. Man sollte meinen, dass
die Staaten mit den meisten
electoral votes
im Zentrum des
Wahlkampfes stehen, also Kalifornien und Texas. Dies ist
jedoch nicht der Fall, denn in Kalifornien (und auch New
York) gewinnt der Kandidat der Demokraten stets mit
großem Vorsprung, in Texas der Republikaner – dies ist
der demographischen Struktur und der politischen Kul-
tur dieser Staaten geschuldet. Nun macht es z.B. für den
Republikaner aber keinen Sinn, in Kalifornien viel Wahl-
kampf zu betreiben, wenn er realistisch gesehen bestenfalls
40 Prozent der
popular votes
holt, und damit keine einzige
electoral vote
gewinnt.
19
Der eigentliche Wahlkampf findet also vor allem in sol-
chen Staaten statt, wo die Ergebnisse in den letzten Jahr-
zehnten meist knapp waren, also realistisch gesehen von
beiden Parteien gewonnen werden können: den sog.
swing
states
. Dies erklärt die herausragende Rolle von Florida im
Präsidentschaftswahlkampf: 29
electoral votes
(also mehr als
18 Maine und Nebraska vergeben jeweils zwei
electoral votes
an den Ge-
samtsieger im Staat, die anderen zwei bzw. drei gehen an den Sieger in
den Wahlkreisen, die auch für das Repräsentantenhaus gelten.
19 Zwar hat Donald Trump angekündigt, Hillary Clinton auch in Kalifornien
und New York herauszufordern, dies erscheint aber realistisch gesehen,
wie so oft bei Trump, als reine Prahlerei. Die Wahlergebnisse bei der Präsi-
dentschaftswahl in den Bundesstaaten seit 1996 finden sich hier: http://
www.270towin.com/states/zehn Prozent der für einen Wahlsieg erforderlichen Stim-
men) und seit 2000 nie mehr als fünf Prozent Unterschied
zwischen Demokraten und Republikanern, meist sogar
deutlich weniger. Hinzu kommt, dass die Einwohnerzahl
von Florida unaufhörlich wächst, so dass die Wählerschaft
von 2016 größer und anders strukturiert ist als die von 2012
oder gar 2000. In Florida ist also jede Präsidentschaftswahl
ein gänzlich neues Spiel, und wer Florida gewinnt, hat her-
vorragende Chancen, Präsident zu werden.
Weitere wichtige
swing states
sind Ohio, Virginia,
Colorado, Nevada, Iowa und North Carolina, je nach
Definition auch Wisconsin, Pennsylvania und einige wei-
tere – die Liste ist nicht statisch, sondern ändert sich von
Wahl zu Wahl. In diesen Staaten geben die Kandidaten
den Großteil ihrer Wahlkampfmittel aus und investieren
den überwiegenden Anteil ihrer knappen Zeit für persön-
liche Auftritte. Der Wahlkampf bleibt natürlich nicht aus-
schließlich auf die
swing states
beschränkt: So wird Clin-
ton höchstwahrscheinlich auch versuchen, die eigentlich
republikanisch geprägten Staaten Arizona und Georgia zu
gewinnen; Trump wiederum wird Clinton in Michigan
und weiteren industriell geprägten Staaten herausfordern.
Vollkontaktsport: Präsidentschaftswahlkämpfe und
deren Finanzierung
Präsidentschaftswahlkämpfe in den USA finden weltweit
große mediale Beachtung. Das hat natürlich viel mit dem
Status der USA als wirtschaftliche und militärische Super-
macht zu tun, aber die personenzentrierten, medienori-
entierten Wahlkämpfe verlaufen eben oft auch aufregend
dramatisch und gehören zum Spannendsten, was die poli-
tische Welt zu bieten hat.
Politiker als Wahlkampfunternehmer
Ein wichtiger Unterschied zu Deutschland und vielen
anderen Ländern liegt in der vergleichsweise geringeren
Bedeutung der Parteistrukturen für den Wahlkampf. Zwar
führen auch die nationalen, bundestaatlichen und loka-
len Strukturen der Demokraten und Republikaner Wahl-
kampf. Vor allem sind es aber die Wahlkampforganisatio-
nen der Präsidentschaftskandidaten selber, die persönliche
Auftritte organisieren, Fernsehspots produzieren und
Sendezeit kaufen, Meinungsumfragen durchführen und
Strategien planen, freiwillige Helfer organisieren und sich
in den
social media
Gehör verschaffen. Diese persönlichen
Wahlkampforganisationen werden im Laufe der Kandi-
datur aufgebaut und nach Ende des Wahlkampfes wieder
abgewickelt, oft aber nur zum Teil, denn in den USA gilt:
Nach der Wahl ist vor der Wahl.