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Ägypten – Diktatur reloaded?
Einsichten und Perspektiven 2 | 16
Im Juni 2015 besuchte Sisi Deutschland.
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Zur Presse-
konferenz mit Kanzlerin Merkel hatte er achtzig Journa-
listen mitgebracht, die seiner Rede applaudierten statt
Fragen zu stellen. Für Siemens gab es zum Staatsbesuch
den acht Milliarden schweren Auftrag, Gas- und Wind-
kraftanlagen in Ägypten zu bauen. Die Frankfurter All-
gemeine Zeitung druckte an diesem Tag zwei ganzseitige
Zeitungsanzeigen aus dem Umfeld des Regimes, die eine
überschrieben mit „Abdel Fattah al-Sisi – ein Präsident
mit einer Vision“ (nämlich: „sein Land in ruhigere Bah-
nen zu lenken“), die andere ein regimeverherrlichender
„offener Brief an den Deutschen Bundestag“.
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Zuletzt
irritierte SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sig-
mar Gabriel mit seiner Rede vom „beeindruckenden
Präsidenten“ als Abschlussstatement auf einer Pressekon-
ferenz mit deutschen und ägyptischen Journalisten im
Rahmen seines Besuchs in Kairo.
Bei allen wirtschaftlichen und außenpolitischen Über-
legungen sollte Europa eines nicht vergessen: Sie ist wie-
der da, die Diktatur, die die Ägypter nur allzu gut kennen
und viele aus tiefstem Herzen hassen. Für den Moment
hat das Land eine Revolutionsmüdigkeit erfasst. Aber:
„Auch wenn Ägypten stabil wirkt: Unter der Asche glüht
es noch“,
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schrieb der Journalist Yasser Khalil, der die
Islamisten und das Militärregime gleichermaßen verur-
teilt, im Herbst 2015. Es dürfte nur eine Frage der Zeit
sein, wann der Platz der Befreiung wieder brennt.
34 Einen interessanten Blick auf die deutsch-ägyptischen Beziehungen lie-
fert Jens M. Lucke: Berlin und das Märchen von Ägyptens Stabilität, in:
zenith (wie Anm. 5), S. 40ff.
35 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 03.06.2015.
36 Khalil (wie Anm. 31).
Kairo ist eine sogenannte Megastadt: Zwischen zehn und 20 Millionen
Menschen leben in Ägyptens Metropole. Neben dem Nil prägen zahlreiche
Moscheen das Stadtbild.
Foto: Kristina Milz