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Ägypten – Diktatur reloaded?
Einsichten und Perspektiven 2 | 16
gegen die Regierung, angeblich sollen mehr als 15 Millio-
nen zusammengekommen sein. Ende Juni flammten in die-
sem Klima die Straßenproteste wieder auf – und das Militär
nutzte seine Chance: Am 3. Juli putschten die Generäle Prä-
sident Mursi aus dem Amt. Die Führung hatte ein Mann
namens Abd al-Fattah as-Sisi inne.
Die Gewalt eskalierte am 14. August 2013: Die Mus-
limbrüder, die sich aus Protest gegen den Putsch zu einem
Sit-in auf dem
Rabea al-Adawiya
und dem
en-Nahda
-Platz
in Kairo versammelt hatten, wurden regelrecht massak-
riert. Die Zahl der Toten schwankt je nach Quelle zwi-
schen etwa 600 und 1.300. Im Frühjahr 2014 wurden
dann 1.212 angeklagte Muslimbrüder zum Tode verur-
teilt, absurderweise für ein und denselben Mord.
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Doch
die Gewalt des neuen Militärregimes trifft auch andere:
säkulare Oppositionelle werden unter dem am 8. Juni
33 Vgl. Samuli Schielke: Keine Tränen für Rabea, in: zenith (wie Anm. 5),
S. 48–54, hier S. 48.
2014 offiziell bestätigten Präsidenten Sisi eingeschüch-
tert und mundtot gemacht: Mit der Notwendigkeit der
„Terrorismus“-Bekämpfung – womit nun stets die vorher
regierende Muslimbruderschaft gemeint ist – wurde ein
„Anti-Demonstrations-Gesetz“ begründet, das sich gegen
alle richtet, die ihren Protest auf die Straße tragen. Das
ägyptische Parlament war lange aufgelöst, heute sitzen
dort Abgeordnete von Sisis Gnaden. Zehntausende libe-
rale Oppositionelle landeten im Gefängnis, unter ihnen
viele kritische Journalisten. Menschenrechtsorganisatio-
nen berichten über tagtägliche Folter und die ausufernde
Verhängung von Todesstrafen. Ägypter, die von der neuen
Regierung und der gewaltsam durchgesetzten Ruhe auf
den Straßen profitieren – zum Beispiel Unpolitische, die
im Tourismus-Sektor arbeiten –, haben damit freilich ein
geringeres Problem als andere.
Die Pyramiden von Gizeh, etwa 15 Kilometer südwestlich vom Kairoer Stadtkern entfernt: Normalerweise wimmelt es im Frühsommer hier nur so von Touristen,
doch einige Monate nach der Revolution von 2011 wagten sich nur wenige Ausländer so nah an das Zentrum des ägyptischen Protests heran.
Foto: Kristina Milz