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„Deutschland ist ein wunderbares Land, Gott, ist das schön. Aber wir wollen nicht zurück.“
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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 15
Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion markiert den
Beginn des Holocaust, des Völkermordes an den Juden;
Yad Vashem, die offizielle israelische Gedenk- und Bil-
dungsstätte, definiert diesen folgendermaßen: „Der Holo-
caust war der Mord an etwa sechs Millionen Juden durch
die Nationalsozialisten und ihre Kollaborateure. Zwischen
dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Sommer
1941 und dem Kriegsende in Europa im Mai 1945 war es
das erklärte Ziel des nationalsozialistischen Deutschlands
und seiner Komplizen, jeden in ihrem Einflussbereich
befindlichen Juden zu ermorden. Da die Diskriminie-
rung der Juden durch die Nationalsozialisten mit Hitlers
Machtübernahme im Januar 1933 begann, sehen viele
Historiker dies als den Beginn der Epoche des Holocaust.
Die Juden waren nicht die einzigen Opfer des NS-Regi-
mes, aber sie waren die einzige Gruppe, deren Vernich-
tung total sein sollte.“
2
Jüdische Selbsthilfe
Viele deutsche Juden zögerten nach 1933 sehr lange, nicht
selten zu lange, bevor sie Deutschland verließen. In ihrer
Heimatverbundenheit und ihrem Deutschsein, in ihrer
Verwurzelung in der deutschen Kultur und Geschichte
fiel ihnen eine Emigration schwer; die völkermörderische
Konsequenz der nationalsozialistischen Politik konnten
und wollten sie lange nicht wahrhaben. Zudem erschwerte
der NS-Staat die Auswanderung durch die Beschlagnahme
jüdischen Besitzes und durch äußerst hohe Auswande-
rungsgebühren. Zuständig für die Auswanderung war bis
1939 eine Dienststelle des Innenministeriums, danach eine
eigens errichtete „Reichszentrale für jüdische Auswande-
rung“, die Reinhard Heydrich unterstand.
Neben den immensen Anstrengungen jüdischer Ein-
richtungen, für die drangsalierte Minderheit weiterhin
hinreichende Lebensbedingungen zu ermöglichen, Unter-
richt, Wohlfahrt, kulturelles Leben zu organisieren, wurde
die Vorbereitung und Durchführung der Auswanderung
aus Deutschland zunehmend zu einem Schwerpunkt der
jüdischen Selbsthilfe. Zahlreiche Hindernisse erschwer-
ten auch jenen Juden die Ausreise, die dazu bereit waren:
Aufnahmeländer mussten gefunden, Visa beschafft und
bezahlt, finanzielle Unterstützung für diejenigen orga-
nisiert werden, welche die hohen Gebühren nicht mehr
aufbringen konnten. Auch inhaltliche Hilfestellungen zur
Vorbereitung auf die neue Heimat wurden geschaffen:
Beratungsstellen, Sprachkurse, Handbücher.
2 Yad Vashem, Jerusalem, Israel.
In den ersten Jahren nach 1933 emigrierten die Flücht-
linge vor allem in die benachbarten europäischen Län-
der; in Frankreich fand eine sehr große Anzahl Zuflucht.
Insbesondere ab 1938 bestimmten Zurückhaltung und
Abwehr die Haltung zahlreicher Staaten gegenüber der
Einreise jüdischer Flüchtlinge. Daran änderte auch die
vom amerikanischen Präsidenten Roosevelt einberufene
Konferenz von Evian im Juli 1938, auf der das Flücht-
lingsproblem besprochen und Lösungen gefunden wer-
den sollten, nur wenig.
Zu den begehrtesten Zielen der Flüchtlinge gehörte –
nach den USA – Palästina; zwischen 1933 und 1945 wan-
derten ca. 55.000 Juden aus Deutschland in das britische
Mandatsgebiet aus. Attraktiv war die Emigration dorthin
auch deshalb, weil sie nicht nur Sicherheit vor der natio-
nalsozialistischen Verfolgung bot, sondern darüber hinaus
das Leben in einer hunderttausende Menschen umfassen-
den jüdischen Gemeinschaft und die Teilnahme am Auf-
bau einer eigenen jüdischen Heimstatt. Notwendig waren
ein Visum, das auch von den britischen Konsulaten erteilt
wurde, sowie ein Zertifikat, das fünf Kategorien einer
möglichen Einwanderung definierte:
Zur ersten Kategorie zählten „Personen mit einem eige-
nen Vermögen“. Die Festlegung der Höhe des erforderli-
chen Vermögens hing auch davon ab, ob der Einwande-
rer einen für das Land wichtigen Beruf ausübte. In einer
zweiten Kategorie wurden „Personen mit gesichertem
Lebensunterhalt“ zusammengefasst, die dazu aber nicht
über ein Vermögen verfügen mussten; dazu gehörten z.B.
Waisenkinder, deren Lebensunterhalt durch eine soziale
Einrichtung garantiert wurde. Zur dritten Kategorie zähl-
ten Arbeiter zwischen 18 und 35 (in Ausnahmen auch 45)
Jahren. Die vierte Kategorie umfasste sogenannte „ange-
forderte Personen“, das waren in der Regel Ehepartner,
Kinder, Eltern von bereits im Lande Ansässigen, deren
bereits in Palästina lebende Angehörige für den Lebens-
unterhalt aufkommen konnten. Die fünfte, letzte Kate-
gorie war die der
„Jugendalija“:
Sondereinreisezertifikate
in beschränkter Zahl für Jugendliche zwischen 15 und 17
Jahren.
Neben dieser genehmigten Einwanderung versuchten
zahlreiche Flüchtlinge, illegal nach Palästina einzureisen
(Alija Bet).
Unterstützt wurden sie dabei von jüdischen
Einrichtungen in Palästina.
Für die Vorbereitung der Auswanderung nach Palästina
(Hachschara)
gab es eigene Einrichtungen zur handwerk-
lichen und landwirtschaftlichen, für Mädchen auch zur
hauswirtschaftlichen Ausbildung, die von zionistischen
Jugendorganisationen betrieben wurden. Zur Ausbildung