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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 16
Hitlers
Mein Kampf
– Perspektiven für die historisch-politische Bildungsarbeit
Materialien
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Eintritt in ein bayerisches Regiment [172]
daß mein Platz dann dort sein mußte, wo mich die innere Stimme
nun einmal hinwies.
Aus politischen Gründen hatte ich Österreich in erster Linie ver-
lassen39; was war aber nun
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selbstverständlicher, als daß ich nun,
da der Kampf begann, dieser Gesinnung erst recht Rechnung tragen
mußte.
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Ich wollte nicht für den Habsburgischen Staat fechten, war
aber bereit, für mein Volk und das dieses verkörpernde Reich jeder-
zeit zu sterben.
Am 3. August reichte ich ein Immediatgesuch an Seine Majestät
KönigLudwig III.40einmitderBitte, ineinbayerischesRegimentein-
treten zu dürfen. Die Kabinettskanzlei hatte in diesen Tagen sicher-
lich nicht wenig zu tun; um so größer war meine Freude, als ich
schon am Tage darauf die Erledigung meines Ansuchens erhielt. Als
ich mit zitternden Händen das Schreiben geöffnet hatte und die Ge-
nehmigung meiner Bitte mit der Aufforderung las, mich bei einem
bayerischen Regiment zu melden, kannte
#
Jubel und Dankbarkeit
keine Grenze
#
. Wenige Tage später trug ich dann den Rock, den ich
erst nach nahezu sechs Jahren wieder ausziehen sollte.41
So, wie wohl für jeden Deutschen, begann nun auch für mich die
unvergeßlichste und größte Zeit meines irdischen Lebens.42 Gegen-
über den Ereignissen dieses gewaltigsten Ringens fiel alles Vergan-
gene in ein schales Nichts zurück. Mit stolzer Wehmut denke ich
gerade in diesen Tagen, da sich zum zehnten Male das gewaltige Ge-
schehen jährt, zurück an diese Wochen des beginnenden Helden-
kampfes unseres Volkes, den mitzumachen mir das Schicksal gnädig
erlaubte.43
WiegesternerstziehtanmirBildumBildvorbei,sehe ichmich im
Kreise meiner lieben Kameraden eingekleidet, dann zum ersten Male
ausrücken, exerzieren usw., bis endlich der Tag des Ausmarsches kam.
Eine einzige Sorge quälte mich in dieser Zeit, mich wie so viele
andere auch, ob wir nicht zu spät zur Front kommen würden. Dies
allein ließ mich oft und oft nicht Ruhe finden. So blieb in jedem
Siegesjubel über eine neue Heldentat ein leiser Tropfen Bitternis
verborgen, schien doch mit jedem neuen Siege die Gefahr unserer
Verzögerung
#
zu steigen.44
1926: gestrichen:nun
1939:
Punkt
ersetztdurch:
Ausrufezeichen
1944:
kannte
ersetztdurch:
kannten
1944:
Grenze
ersetztdurch:
Grenzen
1930:
unsererVerzögerung
ersetztdurch:unseres
Zuspätkommens
43
Über die Entstehung der fol-
genden Passagen zu Hitlers Kriegs-
erlebnissen schrieb Rudolf Heß am
16.5.1924 aus Landsberg an seine
Mutter: »Eben höre ich aus dem ge-
meinsamen Wohn- und Eßzimmer
seine [
Hitlers
] Stimme. Er scheint
mitten im Auffrischen von Kriegser-
lebnissen zu sein, er ahmt Grana-
ten und Maschinengewehre nach,
springt wild im ganzen Zimmer her-
um, fortgerissen von seiner Phan-
tasie.« Am 29.6.1924 berichtete
Heß seiner Verlobten, Hitler habe
ihm die Schilderung seiner »Feuer-
taufe« vorgelesen und sei dabei zu
Tränen gerührt gewesen.
Vgl.Hess,Briefe,ZitateS.324, 341f.
44
Die Eroberung von Lüttich
(16.8.1914) und Brüssel (20.8.1914)
sowie die erfolgreiche Schlacht in
Lothringen (20.–22.8.1914) schie-
nen in Deutschland die Hoffnung
auf einen raschen Sieg zu bestätigen.
Angesichts der Erfolge der 6.Armee
unter Führung des bayerischen
Kronprinzen Rupprecht bei Metz am
20.8.1914 herrschte vor allem in
München große Euphorie.
Vgl.MünchnerNeuesteNachrichten vom
23.8.1914, »DerSieg inLothringen«;Frank-
furterZeitung vom20.8.1914 (2. MA),»Gute
Zuversicht«.
Kolumnentitel der Originalausgabe
Seitenzahl der Originalausgabe
Originaltext der Ausgaben von 1925/27
Anmerkungshochzahl
Raute als Hinweis auf
Textvarianten
Textvarianten verschiedener
Ausgaben
Hinweis:
Alle Quellenauszüge aus
Mein Kampf
im
Folgenden stammen – soweit nicht anders gekenn-
zeichnet – aus der kritischen Edition des Instituts für
Zeitgeschichte, vgl. Christian Hartmann/Thomas Vor-
dermayer/Othmar Plöckinger/Roman Töppel (Hg.):
Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition, im Auf-
trag des Instituts für Zeitgeschichte München – Ber-
lin, 2 Bde., München 2016 (im Folgenden abgekürzt
als KE). Anmerkungen daraus werden nur angegeben,
soweit sie für den didaktischen Vorschlag herangezo-
gen werden. Die Quellen- und Literaturhinweise und
Angaben mit Kurztiteln werden beibehalten. Unbe-
rücksichtigt bleiben die Textvarianten, die Rauten im
Text als Hinweis darauf werden wiedergegeben.
Quelle: Christian Hartmann/Thomas Vordermayer/Othmar Plöckinger/
Roman Töppel (Hg.): Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition, im Auftrag
des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin, München 2016, 2 Bde.,
hier Bd. 1, S. 80.