Hitlers
Mein Kampf
– Perspektiven für die historisch-politische Bildungsarbeit
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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 16
So zeigt etwa der Schutzumschlag der Erstauflage eine
Hakenkreuzflagge, die erhaben im Wind weht und die
als vielköpfige Hydra dargestellten Feinde der völkischen
Bewegung gleichsam aufspießt. Demgegenüber erwecken
spätere, in dunklem Blau gehaltene und nur mit NS-Emb-
lem verzierte Auflagen einen seriösen Eindruck, der an
Bibeln bzw. an Gesangbücher erinnerte. Schließlich gab es
auch prachtvolle Ausgaben mit Goldschnitt und aufwän-
diger Umschlaggestaltung. Daran kann exemplarisch der
Charakter von Hitlers
Mein Kampf
als Kampfschrift, als
„Bibel der Bewegung“ sowie als „Herrschaftssymbol“ und
„Herrschaftsinstrument“ gezeigt werden.
Aber auch eine Betrachtung der Haupttitelseite – etwa
der 133./134. Auflage von 1935 – ist aufschlussreich,
lassen sich über die einzelnen Gestaltungselemente zen-
trale Wirkabsichten erschließen:
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Das mit Seidenpapier
geschützte und mit einem Autogramm versehene Porträt
Hitlers in Parteikluft verdeutlicht die Sakralisierung und
Mythisierung des „Führers“. Der Titel des Gesamtwerks
sowie der beiden Einzelbände lässt den ideologischen
Anspruch des Buches erahnen. Die Auflagenzahl zeigt
die weite Verbreitung; die Gesamtauflage betrug zu die-
sem Zeitpunkt 1.760.000 Exemplare. Die Verlagsangabe
schließlich deutet auf die Bedeutung der Propaganda
hin; der „Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nach-
fahren“ hatte dabei eine entscheidende Bedeutung.
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Eine Besonderheit stellt im vorliegenden Fall (s. S. 19) der
nachträglich entfernte Besitzvermerk oben rechts dar –
mithin eine „Entnazifizierung mit der Schere“. Dass das
Buch als eigener Besitz markiert wurde, im vorliegenden
34 Adolf Hitler: Mein Kampf. Zwei Bände in einem Band. Ungekürzte Ausgabe,
133.–134. Auflage, München 1935.
35 Vgl. Thomas Tavernaro: Der Verlag Hitlers und der NSDAP. Die Franz Eher
Nachfolger GmbH, Wien 2004.
Fall auch Anmerkungen enthält und über das Kriegsende
hinaus aufbewahrt wurde, zeigt, dass es geschätzt und
gelesen wurde. Inwieweit solche Beobachtungen verallge-
meinert werden können, ist später zu thematisieren.
Mit der Edition des Instituts für Zeitgeschichte liegt
nun zum einen eine Neuausgabe der Erstauflage von
Mein
Kampf
vor, in der der Text seitenidentisch wiedergegeben
wird. Zum andern wird der Text kritisch ediert, indem die
Varianten in verschiedenen Ausgaben verzeichnet und die
Aussagen kommentierend erschlossen werden. Das Layout
ermöglicht eine synchrone Lektüre von Hitlers Text und
den wissenschaftlichen Kommentaren. Im Unterschied zu
vergleichbaren Vorhaben bestehen die Anmerkungen oft
aus eigenständigen essayartigen Darstellungen, die mitun-
ter weit über den Text hinausreichen. Dies ist nicht nur
außerordentlich leserfreundlich, sondern ermöglicht gerade
dem interessierten Laien, der mit demThema nicht vertraut
und im Umgang mit wissenschaftlichen Editionen nicht
versiert ist, einen schnellen und informativen Zugang.
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Gerade deshalb ist auch eine Verwendung im Unter-
richt überhaupt denkbar, denn ansonsten ist die in der
Regel nur für Experten gedachte Kombination aus Text,
Textvarianten und Kommentar für das historische Lernen
allenfalls geeignet, um den Schülerinnen und Schülern
die Probleme exemplarisch zu demonstrieren, die mit der
Herstellung eines lesbaren Quellentextes verbunden sind.
Hier jedoch können Textauszüge aus Hitlers
Mein Kampf
und Anmerkungen gegenübergestellt und, wie an einigen
Beispielen zu zeigen sein wird, als Arbeitsmaterial für den
Unterricht nutzbar gemacht werden.
36 Editionsrichtlinien: Hartmann u.a. (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 80–84, sowie zur
Kommentierung S. 53ff. Über die öffentliche Resonanz auf die Edition gibt
Aufschluss:
http://www.ifz-muenchen.de/aktuelles/themen/edition-mein-kampf/dokumentation-mein-kampf-in-der-oeffentlichen-diskussion/
[Stand: 29.11.2016].
Verschiedene Ausgaben von
Mein Kampf:
gebundene Ausgaben
Foto: Institut für Zeitgeschichte/Fotograf: Alexander Markus Klotz
Bernstein-Prachtausgabe aus dem Jahr 1934
Foto: Interfoto/Hermann Historica GmbH