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Hitlers

Mein Kampf

– Perspektiven für die historisch-politische Bildungsarbeit

35

Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 16

Mein Kampf

– die

Weltanschauung Hitlers

Mein Kampf

ermöglicht einen genauen Einblick in Hit-

lers Denken Mitte der zwanziger Jahre.“ 

55

Die breit dar-

gestellte Weltanschauung Hitlers bildet trotz vieler ande-

rer Elemente den zentralen Inhalt des Buches. Und diese

Weltanschauung stellt nicht eine wirre Ansammlung dis-

parater Gedanken dar, sondern folgt einer inneren Logik.

Die Forschungsgeschichte, die hier nicht im Einzelnen

zu rekapitulieren ist, zeigt, dass sich diese Einsicht erst

allmählich durchsetzte.

56

So widmete Eberhard Jäckel

1969 Hitlers Weltanschauung eine eigene Untersuchung.

Er arbeitete die „Eroberung von Raum“ und die „Ent-

fernung der Juden“ als zentrale Elemente von Hitlers

Weltsicht heraus.

57

In einer neueren Interpretation, so der

Untertitel, vollzieht Barbara Zehnpfennig die Logik der

Argumentation kommentierend und analysierend nach,

versucht mithin das Gedankengebäude Hitlers gleichsam

von innen auszuleuchten: Dem Grundgedanken „Alles

ist Rasse“ liegt demnach ein biologistisches Weltbild

zugrunde, das auf alle Erscheinungen anwendbar ist und

sowohl die geschichtliche Entwicklung als auch die poli-

tischen Auseinandersetzungen auf den antagonistischen

Überlebenskampf von Rassen zurückführt.

58

Diese Ideen

lassen sich, wie die einschlägigen Forschungen gezeigt

haben, ideengeschichtlich bis ins 19. Jahrhundert zurück-

verfolgen.

In Hitlers

Mein Kampf

findet sich also in ReinformHit-

lers Weltanschauung. So wurde und wird es vornehmlich

rezipiert und diese Perspektive ist für die Thematisierung

in der historisch-politischen Bildungsarbeit dominant.

Allerdings ist Hitlers Text für heutige Jugendliche nicht

leicht zugänglich, da sich das sprachliche Stilempfinden

deutlich gewandelt hat, da viele zeitgenössische Anspie-

lungen heute nicht mehr verständlich und die abgehandel-

ten Themen für sie nicht mehr relevant sind. Gleichwohl

ist eine Beschäftigung mit dem Text angezeigt, um einen

Eindruck von dieser für den Nationalsozialismus bedeut-

55 Kershaw (wie Anm. 18).

56 Vgl. den Überblick bei Barbara Zehnpfennig: Hitlers Mein Kampf. Eine

Interpretation, München

2

2002, S. 15–28; neuerdings: Lars Lüdicke: Hit-

lers Weltanschauung. Von „Mein Kampf“ bis zum Nero-Befehl, Paderborn

2016.

57 Eberhard Jäckel: Hitlers Weltanschauung. Entwurf einer Herrschaft,

Stuttgart

2

1983.

58 Zehnpfennig (wie Anm. 56); dies.: Adolf Hitler: Mein Kampf. Weltan-

schauung und Programm. Studienkommentar, München 2011.

samen historischen Quelle zu vermitteln, im Hinblick auf

das historische Lernen die Methode der Quellenarbeit zu

üben und im Hinblick auf die politische Bildung den anti-

demokratischen und menschenverachtenden Charakter

der Schrift deutlich zu machen.

Da die NS-Ideologie nicht nur im Lehrplan fest ver-

ankert ist, sondern auch in allen Schulbüchern dargestellt

wird, muss sie hier nicht noch einmal erläutert werden.

Grundsätzlich kann man Hitlers Weltanschauung um

die zentralen Aspekte Raum, Rasse, Diktatur und Gewalt

gruppieren. Mit Hilfe dieser Kategorien lassen sich seine

Aussagen entsprechend zuordnen, aufeinander beziehen

und schließlich zusammenfassend interpretieren. Dies ist

mit verschiedenen Textauszügen und auf verschiedenen

Anspruchsniveaus möglich. Hilfreich sind dabei entspre-

chende Begriffskarten, denen Zitate und Aussagen zuge-

ordnet sind, die ergänzt und zu einem Schaubild grup-

piert werden können.

So ergibt auf einem einfachen Niveau bereits die

Betrachtung von ausgewählten Einträgen im Register von

Mein Kampf

ein relativ klares Bild: Stichworte wie „Arier“,

„Judentum“, „Führer“, „Rasse“ oder „Russland“ lassen die

Umrisse von Hitlers Weltanschauung schon erkennen.

Will oder kann man sich im Unterricht nicht auf eine

genauere Textanalyse einlassen, bietet es sich auch an, aus-

gewählte Zitate zu besprechen, die zur Zeit des Nationalso-

zialismus propagandistisch wirkungsvoll eingesetzt wurden.

Auch der Beginn von

Mein Kampf

bietet nicht nur

Informationen zur Herkunft des Autors, sondern enthält

bereits wesentliche Elemente seiner „politischen Philoso-

phie“, die aus dem Text oder auch der Interpretation von

Neil Gregor entnommen werden können.

Da Hitlers Ausführungen in hohem Maße redundant

sind, bieten sich zur Erarbeitung seiner Weltanschauung

verschiedene Textauszüge an, wie sie sich ja auch in Schul-

büchern finden. Eine gewisse Berühmtheit erlangt hat

das Kapitel „Volk und Rasse“, da es einerseits das rassis-

tische Denken überaus plastisch zeigt und da es anderer-

seits aufgrund mancher stilistischer Kapriolen unfreiwillig

komisch wirkt. Zudem lesen sowohl Helmut Qualtinger

als auch Serdar Somuncu diesen Auszug – jener unkom-

mentiert, dieser mit ausführlichen Zwischenbemerkun-

gen. Der Rückgriff auf diese Tonaufnahmen hilft die Ver-

ständnisschwellen zu überbrücken und eröffnet – etwa

durch einen Vergleich der Präsentationen – zusätzliche

Erkenntnismöglichkeiten und Lernchancen. Entschei-

dend ist dabei, das rassistische Denken zu verdeutlichen.

Der darwinistische Gedanke vom Überleben des am bes-

ten an seine Umwelt Angepassten wird zum Sieg des Stär-