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aviso 2 | 2016
FREMDE, IN DER FREMDE
BAYERNS VERBORGENE SCHÄTZE
EIN KOSTBARES STÜCK
MÜNCHNER MEDIZINGESCHICHTE
DIE PORTRÄTSAMMLUNG DES
ÄRZTLICHEN VEREINS MÜNCHEN E. V.
Text:
Wolfgang Gerhard Locher
DIE IN IHREN
Anfängen auf die Mitte des 19. Jahr-
hunderts zurückgehende Porträtsammlung des Ärzt
lichen Vereins München e. V. ist die bedeutendste
Bildersammlung zur Münchner Ärzteschaft. Der
am 28. Oktober 1833 gegründete Ärzteverein –
ein medizinisches Wahrzeichen der Stadt Mün
chen – hat seine Wurzeln in einer Epoche, in der
König Ludwig I. die Hauptstadt des bayerischen
Königreiches in eine kulturelle und wissenschaft
liche Topadresse verwandelte. Unter den 20 Grün
dungsmitgliedern des Ärztlichen Vereins waren
zwei Universitätsprofessoren; ein Viertel der Grün
derväter verdiente sein Brot aber als Armenärzte.
Zunächst nicht viel mehr als ein geselliger Treff
punkt, wurde der Verein rasch zu einer Drehschei
be des ärztlichen Lebens in München und formte
dort über viele Jahrzehnte die medizinische Denk
kultur. Politiker und Behörden der Stadt erblick
ten im 19. Jahrhundert im Organ des Ärztlichen
Vereins einen maßgeblichen Experten und Berater
in gesundheitspolitischen Fragen.
Dank des wissenschaftsfördernden Königshau
ses der Wittelsbacher wurde um die Mitte des
19. Jahrhunderts neben der Kunst auch die Wis
senschaft Bestandteil der politischen Repräsenta
tion des Landes. Dies gilt insbesondere auch für
die Medizin als Heilwissenschaft und entsprechend
war auch der gesellschaftliche Status, den die Ärzte
nun erlangten. Dass mit Herzog Carl Theodor, dem
Gründer der privaten Augenklinik in der Nymphen
burger Straße, und mit Prinz Ludwig Ferdinand
zwei Ärzte aus dem bayerischen Königshaus als
Ehrenmitglieder zum Ärztlichen Verein gehörten,
unterstreicht diese neu gewonnene gesellschaftli
che Stellung der Ärzte. Die Porträtsammlung des
Ärztlichen Vereins der Kunststadt München legt
davon bis heute Zeugnis ab.
ZU DEN ARZTPERSÖNLICHKEITEN
, die sich
nun auf Leinwände bannen ließen und deren Bil
der Bestandteil der hier vorgestellten Sammlung
sind, zählen der von Theodor Pixis (1831-1907) auf
demHöhepunkt seines Ruhmes 1885 porträtierte
Max von Pettenkofer (1818-1901), der als Hygie
niker und Präsident der Bayerischen Akademie
der Wissenschaften den Ruf der Stadt München
als Wissenschaftsstandort mitbegründet hat; des
Weiteren der fortschrittliche »Irrenarzt« und
unglückliche Leibarzt von König Ludwig II., Bern
hard von Gudden (1824-1886), dessen monumentales Porträt dem
Ärztlichen Verein von der Familie Hall gestiftet wurde. Das von dem
Künstler Peter A. Becker 1896 erstellte, ebenfalls monumentale Ölge
mälde von Hugo Wilhelm von Ziemssen (1829-1902), der erste protes
tantische Krankenhausdirektor des Münchner Klinikums, wurde dem
Ärztlichen Verein vom Herausgeberkollegium der Münchner Medizi
nischenWochenschrift, damals eines der bedeutendsten medizinischen
Fachjournale der Welt, gestiftet.
DIE IMMER WIEDER
auch durch Ankäufe ergänzte Porträtsammlung
des Ärztlichen Vereins umfasst heute neun Gemälde, drei Lithographien,
zwei Metallbüsten, eine Marmorbüste und zehn Gipsbüsten, von denen
drei nachweislich von dem Münchner Künstler Johann Halbig (1814-
1882) stammen. Hinzu kommt eine ganze Reihe von Fotografien von
bekannten und weniger bekannten Ärzten der Stadt München insbe
sondere aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
So ist der Psychiater Emil Kraepelin (1856-1926), der München zu
einem internationalen Forschungszentrum in der Psychiatrie mach
te, durch eine Eindruck heischende Marmorbüste vertreten. In Metall
gearbeitet sind die Häupter zweier Internisten: Der im ersten Drittel des
20. Jahrhunderts weltweit höchst angesehene Friedrich von Müller
(1858-1941), und der für die Münchner Krankenhausgeschichte nicht
weniger verdienstvolle Hermann Kerschensteiner (1873-1937).
DIE KOLLEKTION AN
Gipsbüsten umfasst imWesentlichen die chirur
gischen Fachvertreter wie z. B. den jung verstorbenen PhilippWilhelm
(1798-1840), oder auch Philipp Franz von Walther (1782-1849), der in
den 1830/40er Jahren als königlicher Leibarzt in Bayern eine wichtige
Rolle spielte. Um ein besonders schönes Exemplar handelt es sich bei
Johann Nepomuk von Nussbaum (1829-1891), einer legendärenMünch
ner Chirurgenpersönlichkeit mit sozialer Ader, den Paul Sayer 1890
in der Uniform eines bayerischen Generalarztes in einer bronzierten
Büste nachgeschaffen hat. Weitere frühe Büsten zeigen den Anatomen
Ignaz Döllinger (1770-1841) und den mit seinen Untersuchungen zum
Münchner Bierherz bekannt gewordenen Pathologen Otto von Bollin
ger (1843-1909). Das 20. Jahrhundert ist in dieser Kategorie mit dem
Chirurgen Albert Krecke (1863-1932) vertreten.
Bei den drei Lithographien handelt es sich um zwei 1838 gefertigte
Arbeiten von Robert Lecke (1805-1858) – die beiden Ärzte Johann
Andreas Buchner (1783-1852) und Friedrich Carl von Loe (1786-1838) –
sowie um eine unsignierte Lithographie des Arztes Simon von Häberl
(1772-1831), der als Leibarzt vonMontgelas zu Beginn des 19. Jahrhun
derts das bayerische Medizinalwesen neu organisierte und zu einem der
modernsten Gesundheitssysteme in Europa machte.
DAS WERTVOLLSTE BILD
der Sammlung ist zweifellos ein von dem
Maler Moritz von Schwind (1804-1871) feinfühlig gestaltetes Brustpor
trät des Arztes Johann Nepomuk von Ringseis (1785-1880). Ringseis
© Ärztlicher Verein München e.V.