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IN FOLGE DER

Enteignung und Vertreibung der deutschspra-

chigen Bevölkerung dieser heutigen Grenzgebiete Tschechiens

mit dem nahezu kompletten Austausch der BewohnerInnen

durch die Neuansiedlung von Menschen unterschiedlicher

Herkunft nach 1946 ging ein großer Teil der kulturellen

Identität und auch des Wissens über diese jahrhundertelang

gewachsene Nachbarschaft von Deutschen und Tschechen

imLand verloren. Die Auswirkungen von Verlust der Heimat

und damit auch der eigenen Identität sind über Generationen

hinweg bis in die Gegenwart in Familien spürbar – sowohl

bei den Vertriebenen als auch bei den Tschechen.

Ähnliche Nachrichten über nicht endende Migrationsströme

konfrontieren uns auch heute rund um die Uhr und führen

uns die Fragilität eines gesellschaftlichenMiteinanders in der

Europäischen Gemeinschaft einschließlich des einhergehenden

Erstarkens neo-nationalistischer Parteien deutlich vor Augen.

»Wie definieren wir uns« wird wieder zur drängenden Frage

für jedermann diesseits und jenseits von Grenzen – eine Fra-

ge, die gleichermaßen Erinnerung und Mahnung impliziert.

Eine Landschaft im Zentrum Europas

Die Auftaktveranstaltung zu »ImZentrum« brachte 16 Künst-

lerInnen aus Tschechien und Deutschland zusammen, u. a.

Ivan Kafka, Jaroslav Rudiš, Jaromir 99, Petr Linhart, Lukáš

Morávek, Almea, Lucia Dellefant, Kalle Laar, Anton Petz und

Frank Sauer. Die dreitägige Begegnung war von lebendigem

Austausch erfüllt, Konzepte entstanden, die künftig Orien-

tierung auch für Reisende bieten können. Die Schriftstelle-

rin Katerˇina Tucˇková sprach im Nachherein sogar von der

heilenden Kraft der Kunst, etwa in der Veranstaltung von

Frank Sauer, der die Erzählung einer noch lebenden Zeitzeu-

gin in ein Lied im schlesischen Dialekt transformierte und

mit Kindern der Musikschule Vidnava/Weidenau aufführte.

Laut Tucˇková wurde für das emotional berührte Publikum

unmittelbar erfahrbar, wie wichtig solche Fragmente der ver-

lorenen Geschichte für die heute dort Lebenden sind und wie

zentral die Rolle, die Kunst und Kultur bei der Rekonstruk-

tion von Erinnerung spielen.

links

Tschechische Künstlerinnen

und Künstler in der Georgs-

Halle/Tancˇírna bei Javorník/Jauer-

nig bei der Auftaktveranstaltung

»Im Zentrum«.

von links nach rechts

Der Liedermacher Petr Linhart, der

Autor Jaroslav Rudiš bei seiner

Simultanlesung auf Deutsch und

Tschechisch, darunter Konzert mit

Jaromir99, Lukáš Morávek und

Almea.

rechts

Katerˇina Tucˇková schreibt an einem

Roman über die Nonnen, die in der Tschecho-

slowakei in Bíla Voda/Weißwasser inhaftiert

waren. Dort wurde jetzt ein Museum eingerichtet.

unten

Workshops des Festivals

»Im Zentrum« in der Georgs-Halle.

darunter

Frank Sauer führt seine Lyrik-Musik-

Performance »Vom Schlesischen Lachs, oda

a Fischla zum neibeißa...« mit Kindern in der

Musikschule Vidnava/Weidenau auf.

© Sebastian Weise, Detail aus der Fotocollage »ZWSW#83«