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Die Komplexität der Fragestellungen im Bereich der Inklusion führt dazu, dass meist mehrere inner- und außerschulisch

Beteiligte betroffen sind. Im vorliegenden Beispiel wenden sich sowohl der Klassenleiter als auch die Mutter unabhängig

voneinander an die Beratungslehrkraft. Denkbar wäre auch, dass die Erziehungsberechtigten ihr Anliegen an die Klassen

leitung richten, die nach dem Gespräch dieses und ihr eigenes Anliegen an die Beratungslehrkraft weiterleitet, ohne dass im

ersten Moment klar wird, welche unterschiedlichen Bedürfnisse und Motivationen zugrunde liegen. Manchmal berühren und

aktivieren auch Beratungsfälle die Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen in besonderer Weise oder gewinnen eine

Eigendynamik, da sie mit deren eigenen Lebens- und Berufsweg enger zusammenhängen.

Gerade die Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen müssen von demMoment an, in dem sie als Experten angesprochen

werden, der Frage nachgehen, von wem sie welche Aufträge erhalten und welche Rollen sie dabei ausfüllen können.

Entsprechend bietet es sich an, vor Übernahme eines Beratungsauftrags

diesen im Rahmen der Beratungsgespräche exakt zu formulieren,

das Auftrags- und Interessengeflecht mit den daran geknüpften Bedürfnissen und Erwartungen (graphisch) zu skizzieren

und gegebenenfalls offen zu kommunizieren,

die Konstellationen sowie die sich möglicherweise wandelnden Bedürfnisse und Erwartungen während des Beratungs

prozesses im Auge zu behalten und

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die Zuständigkeiten sowie den Kooperationsbedarf zu beachten.

Impulse zur Auftragsklärung in einem Beratungsfall:

Handelt es sich um einen Auftrag, den ich in der vorliegenden Form bereits annehmen kann oder der noch präzisiert

werden muss?

Welche weiteren Aufträge an mich bestehen bei dem Fall bereits? Gibt es Überschneidungen oder Kollisionen

zwischen den Aufträgen, ergänzen sie sich, können sie zusammengeführt werden, schließen sie sich wechselseitig

aus? Auf welche Weise muss ich mich wem gegenüber abgrenzen und dies transparent machen?

Worin liegen eventuell eigene Beweggründe und Antreiber oder aber auch Hemmnisse? Welche Aufträge gebe ich

mir selbst?

Welche Möglichkeiten gibt es, verdeckte Aufträge durch einen Austausch mit anderen (z.B. im Rahmen von Super

vision) erkennbar zu machen?

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Welche weiteren Personen sind im Rahmen einer differenzierten Auftragsklärung hinzuzuziehen? Welche Personen

müssen innerhalb des schulischen und außerschulischen Systems berücksichtigt werden?

Insbesondere gilt es, sich vor selbst gegebenen oder verdeckten Aufträgen zu schützen. Es besteht zudem eine große

Gefahr darin, zwischen widersprüchlichen Auftragsstellungen oder konträren Auftraggebern zerrieben zu werden.

3.2.2 Informationelles Selbstbestimmungsrecht, Schweigepflicht und Schweigepflichtentbindung

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Die Erarbeitung von Lösungen kann nur in einem konstruktiven Austausch gelingen. Daher sind die Aspekte der Freiwilligkeit

der Ratsuchenden, der Neutralität bzw. Allparteilichkeit, der Vertraulichkeit und der Verschwiegenheit der Berater (siehe

Kapitel 3.1) nicht immer einfach zu handhaben. Einerseits müssen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Rat

suchenden und der Datenschutz gewährleistet sein. Andererseits erfordert eine Zusammenarbeit zumWohl des Kindes oder

Jugendlichen, dass in Absprache mit den Erziehungsberechtigten oder volljährigen Schülern Informationen an die jeweiligen

Kooperationspartner zielgerichtet weitergegeben werden können. Dazu haben sich z.B. kooperative Vorgehensweisen mit

den Erziehungsberechtigten in Form von gemeinsamen Gesprächen oder Runden Tischen bewährt.

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Erziehungsberechtigte und Schüler haben im Beratungsprozess oft kaum eine andere Möglichkeit, als sich zumindest teil

weise zu offenbaren. So kann es notwendig werden, die zuvor benannten Rahmenbedingungen von Beratung zu modifizie

ren. Dabei ist seitens des Beraters konsequent die Entscheidungsfreiheit der Ratsuchenden und die Einhaltung mit ihnen

getroffener Absprachen zu gewährleisten.