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Eine Möglichkeit der Offenbarung für die Beratungslehrkraft bzw. den Schulpsychologen schafft die (schriftliche) Schweige

pflichtentbindung,

die klar auf einen Beratungsanlass bezogen sein muss,

die beinhalten sollte, gegenüber wem die Schweigepflicht aufgehoben ist,

die genaue Absprachen umfasst, was weitergegeben werden darf und was nicht,

die als Teil des Prozesses den anderen beteiligten Personen transparent gemacht werden muss, und

die mit Abschluss des Beratungsprozesses ihre Gültigkeit verliert.

Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen können in Inklusionsfällen auch Bündnispartner von Ratsuchenden werden, um sie

zu stärken und ihren berechtigten Interessen im schulischen Rahmen mehr Gewicht zu verleihen. Gerade in solchen Fällen ist

dann eine notwendige Fähigkeit der Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen, sich wieder distanzieren zu können und zurück

zu einer Gesamtschau des Falls zu kommen.

3.2.3 VomAuftrag zur Rollenklärung

Der Schulleiter einer Grundschule wendet sich an den zuständigen Schulpsychologen wegen eines Schülers

einer 3. Jahrgangsstufe: Carsten habe sich in den letzten Wochen sehr verändert. Der Junge fühle sich häu

fig von seinen Klassenkameraden provoziert. Er spucke, trete und schlage um sich. Auch verbal äußere er

sich sehr aggressiv. In solchen Situationen beruhige er sich nur, wenn sich ein Erwachsener ihm alleine zuwende. Dann

würde er oft in Tränen ausbrechen. Die Gründe für dieses Verhalten seien unklar. Carsten selbst könne es nicht erklären.

Auch seine Leistungen seien schlechter geworden. Zudem wirke er häufig müde. Nun sei es zu einer Eskalation in der

Umkleidekabine vor dem Sportunterricht gekommen. Die Mutter eines Mitschülers habe danach in großer Sorge die

Lehrerin kontaktiert. Die Klassenlehrerin befürchte, dass sie alleine Carsten nicht mehr stützen könne. Sie betone auch

die Verantwortung den anderen Mitschülern gegenüber. Die Eltern Carstens seien sehr zurückgezogen. Eigentlich sei

die Lehrerin der Meinung, dass Carsten wegen seines mittlerweile hohen sonderpädagogischen Förderbedarfs im

sozial-emotionalen Bereich das private Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwick

lung oder eine Stütz- und Förderklasse besuchen müsse. Ein Telefonat mit der Mutter Carstens habe die Klassenlehr

kraft aber diesbezüglich noch einmal sehr verunsichert. Die Familie habe derzeit größte Belastungen zu tragen. Kein

Wunder, dass Carsten „so ausflippe“. Der Schulleiter bittet den Schulpsychologen, sich des Falles anzunehmen.

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Ist eine saubere Auftragsklärung erfolgt, bleibt die Frage nach den Rollen, die mit der Übernahme eines Auftrags eingefor

dert werden. Von den Beteiligten

können ganz unterschiedliche Handlungserwartungen formuliert werden, die erkannt und

bewusst ausgefüllt sein wollen.

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Mögliche Szenarien können sein:

Der Schulleiter wendet sich zusätzlich zur Einschaltung des MSD an den Schulpsychologen einerseits in dessen Rolle als

Berater

für das Kind und die Familie, andererseits sucht er vielleicht auch für sich, für die Klassenlehrkraft und für die

Klasse einen

Unterstützer

, einen

Impulsgeber

.

Im Dreieck Schulleitung – Erziehungsberechtigte – Klassenlehrkraft ist möglicherweise ein

Mediator

gefragt.

An einem Klassenelternabend soll die Beratungslehrkraft oder der Schulpsychologe vielleicht als

Moderator

oder als

Vermittler

auftreten.

Die Lehrkräfte der Schule erwarten eventuell einen

Informationsgeber

,

Fachreferenten

und

Fortbildner

bzw. einen

Koordinator

von unterschiedlichen Maßnahmen.

Unterschiedliche Rollen sind jedoch nicht immer vereinbar. So schließt z.B. die Moderation eines „Runden Tisches“ die gleich

zeitige Rolle eines Beraters aus. Ein Vermittler in einem Konflikt kann nicht ebenso der Anwalt einer Interessengruppe sein.

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Gerade Rollenkonflikte werden im schulischen Rahmen immer wieder übersehen, da das scheinbar geschlossene Hand

lungsfeld Schulberatung eine klare Definition von Beratungslehrkräften und Schulpsychologen impliziert. Dabei verlangt jede

Situation der Beratungslehrkraft bzw. dem Schulpsychologen andere Facetten und andere Kompetenzen, kurz eine indi

viduelle Rollendefinition ab.