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Syrien stirbt

Einsichten und Perspektiven 1 | 16

schaft und der sozialen Ungerechtigkeit galt seither vie-

len Bashar al-Assads Cousin Rami Makhlouf, der im Jahr

2011 einer Schätzung der

Financial Times

zufolge durch

ein komplexes System an Beteiligungen sechzig Prozent

der syrischen Wirtschaft kontrollierte. 

34

Neben der Hoffnung auf wirtschaftliches Wachstum

begann Bashar al-Assads Regentschaft mit einem weiteren

großen Versprechen: Im „Damaszener Frühling“ sollten

demokratische Reformen für mehr Mitsprache und Frei-

heitsrechte der Syrerinnen und Syrer sorgen. Assad pre-

digte in seiner Antrittsrede demokratisches Denken, den

Wert konstruktiver Kritik und Rechtsstaatlichkeit. Der

neue Kurs in Damaskus schien sich auch sogleich bemerk-

bar zu machen: Noch im Jahr seiner Wahl wurden 600

politische Gefangene freigelassen, das berüchtigte Folter-

gefängnis Mezze geschlossen, nichtstaatliche Presse zuge-

lassen und erstmals die Benutzung des Internets erlaubt.

Hoffnungsfroh blickten die Bürger in diesen Tagen in die

Zukunft: Die Zivilgesellschaft blühte auf und gründete im

ganzen Land politische Diskussionszirkel.

34 Lina Saigol: Assad Cousin Accused of Favouring Family, in: Financial Times

vom 21.04.2011; online:

http://www.ft.com/cms/s/0/e29a73f8-6b78-11e0-

a53e-00144feab49a.html#axzz408cV7zQO [Stand: 14.02.2016].

Das innenpolitische Tauwetter jedoch hielt nicht lange

an: Bereits zu Beginn des Jahres 2001 wurden die Dis-

kussionsrunden geschlossen, im Herbst erneut bekannte

Regierungsgegner inhaftiert. Und als im Frühjahr 2004 die

Menschen aus den kurdisch geprägten Städten Qamischli,

Amuda und Afrin auf die Straße gingen, um zu demonstrie-

ren, wurden hunderte syrische Kurden, darunter auch Kin-

der, verhaftet und getötet. Bis heute ist umstritten, ob Präsi-

dent Bashar al-Assad selbst für diesen radikalen Kurswechsel

verantwortlich war. Fest steht: In Syrien ist der Präsident

kein absolutistischer Monarch, er teilt seine Macht mit

einem kleinen inneren Zirkel einer vorwiegend alawitisch

besetzten Elite. Darunter: Bruder Maher, Kommandant

der Präsidentengarde, und der Cousin und Oligarch Rami

Makhlouf. Die Frage nach der Haltung des Präsidenten zur

Jahrtausendwende einmal beiseite gelassen – diese Gruppe

an Hardlinern hätte weitreichende politische Reformen in

Syrien nicht geduldet, standen doch neben der politischen

Macht auch finanzielle Interessen auf dem Spiel.

Das syrische Regime schien die Antwort des Volkes auf

den längst begrabenen „Damaszener Frühling“ schließlich

2011 im sogenannten „Arabischen Frühling“ zu erhal-

ten. Als Ursache für die syrischen Demonstrationen wird

neben struktureller Unzufriedenheit und dem tunesischen

Demonstration für Assad, Damaskus 2011

Foto: picture alliance/Fotograf: Bassem Tellawi