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Ägypten – Diktatur reloaded?
Einsichten und Perspektiven 2 | 16
begannen.
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Ägypten aber ist das arabische Land, auf das
die internationale Gemeinschaft als „Garant für Stabilität“
in der Region traditionell am meisten achtet
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: Das Land
tat sich unter Mubarak im israelisch-palästinensischen
Friedensprozess als Vermittler hervor und pflegte ein
kompliziertes Geflecht politischer Beziehungen, das es für
Jahrzehnte zum Anker westlicher, insbesondere amerika-
nischer Sicherheitspolitik in Nahost werden ließ. Ägypten
ist aber auch der Nachbar, auf den die restliche arabische
Welt im Januar 2011 gebannt schaute, als es darum ging,
Diktator Mubarak aus dem Palast zu jagen. Das Gesche-
hen auf dem
Tahrir
war über Wochen in Echtzeit über
Live-Streams im Internet zu beobachten und wurde milli-
onenfach geklickt.
Ein Vierjähriger mit Hammer und Meißel
„Die Revolution wurde von allen getragen: von Reich und
Arm, von Städtern und Bauern, Frauen, Kindern, Mus-
limen und Christen. Die sozialen Klassen spielten keine
Rolle mehr“, sagte einer der bedeutendsten arabischen
Gegenwartsautoren, Alaa al-Aswani, der selbst 18 Tage auf
dem Platz campierte, im Frühjahr 2011 dem Spiegel.
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Die junge Bildungselite hatte zwar die Revolution ange-
stoßen, aber nachdem sich der
Tahrir
als Ort des Protestes
etabliert hatte und die Vorreiter der Demonstrationen in
den bildungsfernen und ärmeren Bevölkerungsschichten
intensiv für ihre Sache warben, ergaben die Kairoer Stra-
ßenproteste tatsächlich ein ziemlich repräsentatives Bild
der ägyptischen Gesellschaft. Man war sich einig: „Das
Volk will den Sturz des Regimes!“
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So bunt die Zusam-
mensetzung der Demonstranten, so unterschiedlich waren
aber auch die Beweggründe, auf die Straße zu gehen.
11 Dort setzte sich ein Obsthändler aus Verzweiflung selbst in Brand und
löste damit die ersten Proteste aus. Tunesien ist heute das einzig verblie-
bene der revoltierenden Länder, das noch als Hoffnungsträger gilt. Vgl.
Kristina Milz: Tunesien. Insolvenzverwalter des „Arabischen Frühlings“, in:
Einsichten und Perspektiven 1(2015), S. 46–59.
12 Dies insbesondere wegen des Friedensvertrags mit Israel, der 1979 in Wa-
shington geschlossen wurde. Ministerpräsident Menachem Begin unter-
zeichnete auf Seiten Israels, für Ägypten Präsident Anwar as-Sadat, der
zwei Jahre später bei einem Attentat der Gruppe
al-Dschihad
ermordet
wurde. Sein Nachfolger Mubarak setzte die Strategie trotzdem fort: Der
Frieden mit Israel wurde eingehalten, zudem schaffte es der Diktator, die
daraus resultierende Isolation Ägyptens in der arabischen Welt zu über-
winden. Vgl. Perthes (wie Anm. 4), S. 50.
13 Al-Aswani (wie Anm. 7), S. 202.
14 Dieser Slogan war der bekannteste der ägyptischen Straßenproteste – und
machte in der gesamten arabischen Welt Schule. Die syrische Revolution
begann, als Schulkinder ihn in Daraa an Wände sprühten, deshalb verhaf-
tet und gefoltert wurden. Vgl. Kristina Milz: Syrien stirbt, in: Einsichten
und Perspektiven 1 (2016), S. 4–21, hier S. 16 u. 18.
Sayed Abo-Hasseb Abdullah weiß nicht, ob er seinen vierjährigen Sohn Ali
auf die Schule schicken soll. Seinen älteren Sohn hat er gerade wieder abge-
meldet. Die Lehrer kümmerten sich nicht um die Schüler, sagt er.
Foto: Kristina Milz
Im Stadtteil
Bolak Abo al-Ela
, 2011:
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Überall Gerüm-
pel, zerbrochene Fensterscheiben, zerstörte Türen, zer-
schlissene Teppiche. Das ist alles, was Sayed Abo-Hasseb
Abdullah besitzt. Aufgehäuft in einem kleinen Raum,
nur geschützt durch ein Garagentor. Davor eine Gasse,
ein Rinnsal mit dreckigem Wasser sucht sich seinen Weg.
Abo-Hasseb lebt nicht in einem der berüchtigten Slums
in Ägyptens Hauptstadt. Die Bewohner des Kairoer Stadt-
teils Bolak Abo al-Ela gehören zur unteren Mittelschicht.
Die Söhne des Mannes – der 17-jährige Mohammad und
sein Bruder Ali, nicht älter als vier Jahre – arbeiten mit
Hammer und Meißel an der Mauer. Der Putz bröckelt, es
staubt. „Ich habe Mohammad vor einigen Monaten von
der Schule genommen“, sagt der Vater. Der 40-Jährige
mit den grau melierten Haaren und dem faltigen Gesicht
sitzt auf dem Boden vor dem Garagentor. Die Schultern
hängen, der Blick ist abwesend. Bildung ist das Wichtigste
für Ägyptens Zukunft, davon ist er überzeugt – „aber die
Lehrer kümmern sich nicht um die Bildung ihrer Schüler,
sie interessieren sich nur für ihr Gehalt.“ Dazu haben Leh-
15 Vgl. Kristina Milz: Die Würde des Menschen ist antastbar, in: Tahrir. Das
Magazin zur 5. Deutsch-Arabischen Journalistenakademie, Berlin 2011,
S. 12ff.