74
Über die gesellschaftliche Bedeutung des Amateurfußballs
Einsichten und Perspektiven 1 | 17
fen. Und spätestens, als der DFB lauthals in die Kriegsbe-
geisterung vor dem Ersten Weltkrieg einstimmte, waren
die letzten Zweifler überzeugt.
5
Auch nach dem verlorenen Weltkrieg blieb der DFB
der deutschnationalen Linie mehr oder weniger treu:
Viele DFB-Funktionäre standen der Weimarer Republik
kritisch gegenüber und wollten den Fußball dazu nutzen,
um „Nationalstaat und Leibesspiel in einen innerlichen
und unzerstörbaren Zusammenhang zu bringen“,
6
wie es
das DFB-Jugendausschussmitglied Dr. Josef Klein 1924
in einem seinerzeit vielbeachteten Aufsatz formulierte.
Klein saß einige Jahre später für die NSDAP im Reichstag.
Abseits politischer Instrumentalisierungsversuche ent-
wickelte sich der Fußball in der Weimarer Republik im All-
gemeinen prächtig, so dass man im Deutschland des Jahres
1931 nahezu zehnmal so viele aktive Fußballer zählte wie
noch zu Beginn des Ersten Weltkriegs.
7
Hinzu kam ein
enormes Zuschauerinteresse, wovon natürlich vor allem
die sportlich erfolgreichen Spitzenvereine profitierten, die
sich mithin auch über wachsende Einnahmen freuen durf-
ten. Einer dieser Vereine war der FC Bayern München,
der sich in der Periode der Weimarer Republik zweimal
die Süddeutsche Meisterschaft (1926 und 1928) und ein-
mal die Deutsche Meisterschaft (1932) sicherte. Als Ver-
einspräsident zeichnete damals Kurt Landauer, Sohn eines
jüdischen Kaufmanns aus München, für diese Erfolge
mitverantwortlich. Auch der Meistertrainer von 1932, der
Österreicher Richard Kohn, war jüdischen Glaubens. Und
da in der „Hauptstadt der Bewegung“ nationalistisches
und antisemitisches Gedankengut weit verbreitet war, haf-
tete dem FC Bayern schon bald der Ruf als reicher „Juden-
club“ an.
8
Auch Anhänger des Lokalrivalen TSV 1860
München, die neidvoll auf die Erfolge des Konkurrenten
blickten, beteiligten sich seinerzeit an der antisemitischen
Stimmungsmache. Überhaupt sagt man den „Löwen“,
die nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 sofort
gleichgeschaltet wurden, in der historischen Rückbetrach-
tung eine vergleichsweise größere Nähe zu den nationalisti-
schen Bewegungen der Weimarer Republik nach, weshalb
der Verein schließlich im „Dritten Reich“ neben Werder
5 Vgl. Arthur Heinrich: Ideologisch anfällig: Der DFB vor 1933, in: Blätter für
deutsche und internationale Politik (2006), H. 6, S. 742–754, hier S. 744.
6 Josef Klein: Die drei scharfen T des WSV, in: Fußball und Leichtathletik
(1924), H. 1, S. 4–6, hier S. 4.
7 Vgl. Per Leo: „Bremsklötze des Fortschritts“. Krisendiskurse und Dezisio-
nismus im deutschen Verbandsfußball 1919-1934, in: Die „Krise“ der Wei-
marer Republik. Zur Kritik eines Deutungsmusters hg. v. Moritz Föllmer/
Rüdiger Graf, Frankfurt a.M. 2005, S. 107–138, hier S. 115.
8 Vgl. Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Sports, Bonn 2012, S. 352.
Bremen, dem VfB Stuttgart und dem FC Schalke 04 auch
als nationalistischer Vorzeigeclub galt.
9
1933 kam es allerdings nicht nur zur Gleichschaltung
von Fußballvereinen, auch der DFB als Fußballdachver-
band wurde entsprechend auf Linie gebracht. Laut Bitzer/
Wilting ging dies damals relativ problemlos über die Bühne,
da imDFB schon in den 1920er Jahren nationalistische und
demokratiefeindliche Denkweisen – in diesem Zusammen-
hang sei auch nochmal an den weiter oben erwähnten Dr.
Josef Klein erinnert – weit verbreitet waren.
10
An anderer
Stelle teilt man diese Auffassung in der Literatur allerdings
nicht. So gibt beispielsweise Havemann zu bedenken, dass
„die führenden Funktionäre des DFB bis Anfang 1933
einempolitischen Spektrum zuzuordnen waren, das teilweise
in scharfem Gegensatz zur NSDAP stand. […] Von einer
einseitig nationalkonservativen oder nationalsozialistischen
Ausrichtung des DFB […] kann also weder in programma-
tischer noch in personeller Hinsicht die Rede sein.“
11
Ähnlich uneinig sind sich Historiker in der Frage, welche
Rolle der DFB im „Dritten Reich“ gespielt hat.
12
Unstrittig
ist, dass der mächtige Verband, der nach der „Machtergrei-
fung“ in das „Fachamt Fußball“ umgetauft wurde, sich sei-
nerzeit nicht vernehmbar gegen das NS-Regime gestellt hat
und es deshalb in der Folge, ähnlich wie in anderen gesell-
schaftlichen Teilbereichen in Deutschland, auch im Fußball
zur Ausgrenzung und Diskriminierung jüdischer Mitmen-
schen gekommen ist.
13
Die Spiele der deutschen National-
mannschaft hingegen wurden alsbald von der NS-Füh-
rungsriege als Inszenierungsgelegenheiten erkannt, weshalb
der Fußball unter Hitler auch durchaus gefördert wurde.
Spätestens, als die Nationalelf allerdings bei den Olympi-
schen Spielen 1936 enttäuschender Weise schon nach dem
zweiten Spiel aus dem Turnier ausschied, kam es nun aber
zum Bruch zwischen DFB und NS-Regime: Es folgte eine
„zweite Gleichschaltung“ des Verbandes, in deren Zuge
unter anderem altgediente Funktionäre durch wenig sach-
verständige Parteigetreue ersetzt wurden.
14
1940 schließlich
wurde der DFB von den Nationalsozialisten sogar formal
9 Vgl. Nils Havemann: Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB zwischen Sport,
Politik und Kommerz, Frankfurt am Main 2005, S. 213–225.
10 Vgl. Bitzer/Wilting (wie Anm. 4), S. 27.
11 Nils Havemann: Fußball unterm Hakenkreuz, in: Aus Politik und Zeitge-
schichte (2006), H. 19, S. 33–38, hier S. 36.
12 Hier findet sich ein Überblick über die Literatur zum Thema: Felix Müller:
Der Deutsche Fußball-Bund im Nationalsozialismus. Ein Literaturbericht,
in: Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge (2008), H. 49, S. 147–165.
13 Vgl. Havemann (wie Anm. 11), S. 37.
14 Vgl. Havemann (wie Anm. 9), S. 190–195.