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Der Bundestrainer aus Dresden. Helmut Schön als Figur deutscher Zeitgeschichte

Einsichten und Perspektiven 2 | 17

zu verstärken“.

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Die SG Friedrichstadt wurde nun aufge-

löst, die Spieler um Helmut Schön schlugen sich zu Her-

tha BSC in den Westen der deutschen Hauptstadt durch,

hospitierten dort als Spielgemeinschaft, und einige Rest-

bestände zogen von dort nach Heidelberg weiter, Helmut

Schöns Zeit als Spieler war allerdings inzwischen vorbei.

Natürlich durfte die sächsische Metropole nicht ohne

Spitzenfußball im DDR-Maßstab bleiben. Etabliert wurde

nun das Team „Volkspolizei Dresden“ als Gründung inner-

halb des DDR-Sicherheits- und Repressionsapparates, aus

dem sich schließlich Dynamo Dresden entwickeln sollte,

der Oberliga-Hegemon der DDR der siebziger Jahre.

Weshalb hier dieser Nachschlag?

Dynamo Dresden, eigentlich SG Dynamo Dresden,

wurde dann zwar in den achtziger Jahren gegenüber Erich

Mielkes in der ganzen Republik ungeliebtem Ostberliner

Hauptstadt-Team BFC Dynamo eklatant benachteiligt;

die Dresdener Dynamos gehörten allerdings tatsächlich

wie die Berliner Dynamos zum Kernbestand der DDR-

„Organe“, aber sie vermochten es, sich im Image davon

6 Zit. nach Andreas Baingo/Michael Horn: Die Geschichte der DDR-Oberliga,

Göttingen 2003, S. 18.

abzusetzen – und davon profitiert das heutige Dynamo

Dresden auf erstaunliche Weise: „Dynamo blieb Dynamo,

die Sachsen hatten mit ihrem ehemaligen Volkspolizeiver-

ein keine Schwierigkeiten.“ 

7

Nach dem Ende der DDR wurde der Dresdner SC wie-

dergegründet. Er führt heute ein unscheinbares, überregio-

nal kaum wahrgenommenes Leben als Breitensportverein,

während Dynamo Dresden, derzeit in der 2. Bundesliga,

das Image ungebrochener sächsischer Authentizität kul-

tiviert – Geschichte, das war schon Bismarck klar („Die

Geschichte ist nicht die preußische Oberrechenkammer“),

ist eben oft nicht gerecht.

Für den Dresdener und ganz kurzzeitigen DDR-Bürger

Helmut Schön war der letzte und unerfreuliche Höhe-

punkt seiner ganz eigenen innerdeutschen Geschichte

die Niederlage als Bundestrainer der westdeutschen Aus-

wahl gegen die der DDR im Rahmen der Weltmeister-

schaft 1974 in der alten Bundesrepublik am 22. Juni in

Hamburg, durch das berühmt-berüchtigte Tor von Jürgen

Sparwasser in der 77. Minute. Strategisch gesehen konnte

7 Hanns Leske: Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder. Der Einfluss der

SED und des Ministeriums für Staatssicherheit auf den Fußballsport in der

DDR, Göttingen 2004, S. 478.

Schock für Westdeutschland: Jürgen Sparwasser erzielt das 1:0 für die DDR, Hamburg, 22. Juni 1974

Foto: sz-photo/dpa