aviso 4 | 2014
Renaissance des zeichnens?
Colloquium
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Kunst sehen durch Zeichnen
ImMuseum zeichnen
Text:
Thomas Zacharias
In einer Galerie
Alter Meister findet man sich zwi-
schen einer unüberschaubaren Zahl meist dunkler,
meist schwer überschaubarer Leinwände mit meist
schwer verständlichen Geschichten vergangener
Epochen. Überhaupt sehe ich in Sammlungen oft
vor lauter Bildern keine Bilder mehr. Die Artefakte
der eigenen Kultur, ob alt oder modern, bleiben so
fern und unzugänglich wie die Artefakte fremder
Kulturen. Die dichten Oberflächen der Gemälde
bleiben verschlossen. Die Bilder bleiben stumm.
Wie David mit der Schleuder dem Riesen Goliath
entgegentritt, so stelle ich mich der visuellen Über-
macht. Plötzlich spricht ein Detail, ein Klang, eine
Beziehung, ein Licht. Beim Zeichnen beginne ich
zu sehen. Linie für Linie tauche ich in fremdeWelt-
bilder und finde eigene in produktiver Arbeit. So
zu sehen muss jeder selbst lernen. Und die Fähig-
keit, sich seiner Augen ohne Leitung eines anderen
zu bedienen, gehört zum Ausgang des Menschen
aus seiner Unmündigkeit. Zeichnen: Das ist Nach-
bilden und Nachspüren, Umwandeln und Aneig-
nen. Aus fremden Bildern entstehen eigene Bilder,
die sich im Gedächtnis speichern. Einen solchen
Weg in die Kunst will die 8-bändige, nach Themen
gegliederte Schule des Zeichnens »Zeit lassen –
Kunst sehen durch Zeichnen« zugänglichmachen.
Auf den Bildteil jedes Bandes folgt ein Verzeich-
nis und eine Auswahl von Reproduktionen der
Werke, von denen die Zeichnungen ausgingen. So
zeigt sich der Zusammenhang, dem das Motiv ent-
nommen wurde. Eine Anregung für den Kunst
unterricht, aber auch für alle, die sichmit dem Skiz-
zenbuch auf eine Entdeckungsreise in dieWeltkunst
machen möchten.
Professor Thomas Zacharias
lehrte von 1966 bis 1995 als Professor
für Kunsterziehung an der Akademie der Bildenden Künste München.
Er baute den Bereich für Kunsterzieher an der Akademie für Bildende
Künste München auf acht Professuren aus, er wirkte an der Einrichtung
eines Studiengangs Kunsterziehung an der Akademie für Bildende Künste
Nürnberg mit. Seine Skizzen entstanden in Museen und Ausstellungen
aller Welt.
Zur weiteren Anregung
»Zeit lassen – Kunst sehen durch Zeichnen«
(8 Bände mit 4 CDs. 1) Von Kopf bis Fuß, 2) Idole und Akte, 3) Wolken
4) Licht und Schatten, 5) Spiegel und Fenster, 6) Berührungen und
Beziehungen, 7) Aufstiege und Stürze, 8) Nah und fern). Bezugsquelle:
Medienhaus Kastner, Schlosshof 2-6, 85283 Wolnzach
Telefon 08442 . 9253-0
Mit freundlicher Genehmigung: Professor Thomas Zacharias (aus dem Band 1) »Von Kopf bis Fuß« der Reihe »Kunst sehen durch Zeichnen« | Jusepe di Ribera (1591-1652), Beweinung Christi, Öl auf Leinwand, 129,5 x 181 cm, National Gallery London.