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bis zum Krieg als »Neue Staatsgale-
rie«. Die unterschiedliche Verwendung
spricht für die Qualität und Praktika-
bilität der Räume, von deren Schön-
heit zeitgenössische Berichte und Fotos
zeugen.
Nachdem 1944 die Dächer zerstört und
das Innere völlig ausgebrannt war, be-
schränkten sich die ersten Maßnah-
men nach dem Krieg auf ein Sichern
der Mauern. 1953 wurde entschie-
den, dass dieser Bau zum ›Museum
antiker Kleinkunst‹, also der Samm-
lung von Vasen, Bronzen, Terrakotten,
Glas, Goldschmuck usw., werden sol-
le. Diese Sammlungsbestände waren
zuvor jahrzehntelang auf verschiedene
Museen verteilt und zuletzt im Erdge-
schoss der Alten Pinakothek aufgestellt
gewesen.
Eine inspirierende Ruine
Für die Gestaltung des Museums wur-
den anfangs zwei Lösungen erwogen:
weitgehende räumliche Wiederherstel-
lung des klassizistischen Gebäudes bzw.
Einziehung von Decken in die hohen
Räume, um so eine möglichst große Aus-
stellungsfläche zu gewinnen. All diese
Pläne wurden Makulatur, als 1959 der
Architekt Johannes Ludwig, Professor an
der THMünchen, den Planungsauftrag
erhielt. Ludwig ließ sich, wie er sagte,
von der faszinierenden Ruine inspirie-
ren: Deren Großräumigkeit – entstan-
den aber erst durch die Bombenzerstö-
rung des Gebäudeinneren – wollte er für
seine Museumsgestaltung übernehmen.
So schloss er im Mitteltrakt des Haupt-
geschosses (in den Abbildungen als 1.
Obergeschoss bezeichnet) die ehemals
fünf Räume zu einem einzigen zusam-
men. Auch in den beiden Seitenflügeln
vereinfachte er die Raumgliederung: Aus
der einst so ansprechenden Aufeinan-
aviso 4 | 2014
Renaissance des zeichnens?
Werkstatt
derfolge eines oktogonalen und eines rechtwinke-
ligen Raumes wurde ein einziger langgestreckter
Raum. Ins Zentrum des fast 13 Meter hohen Mit-
telsaals setzte er einen mächtigen Quader, der als
Treppenhaus zumUntergeschoss und als Aufgang
zum 2. Obergeschoss dient. Dieses Obergeschoss
beschränkt sich auf eine ›Emporen-Brücke‹, die
nur den Mittelteil des Raumes überspannt, somit
dem Hauptgeschoss den Tageslichteinfall nicht
völlig nimmt und dem Besucher erlaubt, schon
beimEintreten ins Museum die enorme Höhe die-
ses Raumes zu erfahren. Dass die Reduktion des
zweiten Obergeschosses auf eine relativ schmale
Brücke einen spürbaren Verlust an Ausstellungs-
fläche bedeutete, war allen klar. Ludwig versuch-
te ihn damit zu kompensieren, dass er im Mittel-
saal 14 Wandvitrinen vorsah und in den beiden
Seitensälen den Einbau von erhöhten Galerien
mit insgesamt 32 Wandvitrinen plante. Zudem
sollten die beiden Glasübergänge, die am Ende
der beiden Seitenräume wieder zum Hauptraum
führen, von einer jeweils 10 m langen Wandvitri-
ne flankiert werden.
linke Seite
Antikensammlungen am
Königsplatz.
oben
Hauptgeschoss: Ausstellungssaal in der
ursprünglichen Raumaufteilung (vor 1944).