Text:
Sybille Krafft
Im Allgäu lässt
sich die Liberalitas Bavariae sogar in flüssiger Form
genießen – dreifach gehopft und in der Flasche vergoren. Das Weizen-
Starkbier mit dem vielversprechenden Namen ist eine der süffigen Spe-
zialitäten vom Postbräu in Nesselwang. Neben den »Klassikern« Bock,
Dunkel, Gold, und Weizen stellt die traditionsreiche Familienbrauerei
auch zahlreiche Edel-Biere her. Besonders gut schmeckt zur Liberalitas
Bavariae übrigens ein saftiges Biergulasch vom Allgäuer Weiderind, das
gleich nebenan im denkmalgeschützten Gasthof von einem Ober alten
Schlags serviert wird.
Zwei Jahre nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs, im Jahre 1650, wird
die Gaststätte zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Damals gab es noch
fünf Brauereien am Ort. Eine davon gehörte dem »Bierprew und Wein-
wirt« Michael Vögeler, dem Stammvater des heutigen Betriebs. Direkt
an der einstigen Handels- und Salzstraße gelegen, war die Wirtschaft
jahrhundertelang ein willkommener Rastplatz für Säumer und ihre Tiere.
Später nutzte man die Stallungen auch für die Wechselpferde der König-
lich Bayerischen Posthalterei, die hier von 1817 bis 1910 untergebracht
war. Sie lag auf der Route von Innsbruck nach Mechelen in Flandern –
eine Strecke, für die eine Postkutsche in jener Zeit fünf Tage brauchte.
Die Gastwirtschaft in
ihrer heutigen Form wurde um 1840
errichtet. Es ist ein imposantes Haus, das selbstbewusst das Ortsbild
prägt. Mit seinem Walmdach und der sonnengelben, mit Lisenen ge-
schmückten Fassade strahlt es gediegene Behaglichkeit aus. Die Innen-
räume wurden mehrmals umgestaltet, am schönsten ist die mit alten
Bodendielen getäfelte »Adlerstube«.
Seit mehr als 130 Jahren sind Gastwirtschaft und Brauerei im Besitz
der Familie Meyer. Juniorchefin Stephanie führt den Betrieb nun in der
5. Generation, Vater Karl steht ihr beratend zur Seite. »In der heutigen
Zeit ist es nicht leicht, so ein Erbe anzutreten, aber
ich fühle michmeinen Vorfahren verpflichtet«, sagt
Stephanie Meyer, die eine gelernte Braumeisterin
ist. Mit ihrer Schwester Kathrin hat sie auch eine
Ausbildung zur Bier-Sommelière gemacht. Die bei-
den Postbräu-Töchter haben Lust am Experimen-
tieren und kreieren in ihrer »Brau-Manufaktur All-
gäu« immer wieder Biere mit neuen Aromen und
Geschmack. Ob doppelt gehopft oder unfiltriert –
gebraut werden alle Gerstensäfte jedoch nur mit
bayerischen Zutaten: Der Hopfen kommt aus Tett-
nang amBodensee und aus der Hallertau, das Malz
aus Oberfranken, die Hefe aus Weihenstephan und
das Wasser von der Nesselwanger Alpspitze. Der
Ruf dieser handwerklich gebrauten Biere hat sich
sogar bis in den Vatikan herumgesprochen. Einmal
im Jahr lässt sich Bischof Clemens nämlich extra
eine Kiste Nesselwanger Bier-Spezialitäten nach
Rom bringen. Von einer anderen Stelle im päpst-
lichen Gefolge werden regelmäßig zehn Gläser Bier-
gelee und ein Sack Braumalz zumKochen geordert.
Einkehren kann man
im Postbräu in drei
gemütlichen Gaststuben, im Biergarten oder im
Schalander, wie der ehemaligenWohn- und Schlaf-
raum der Gesellen im Allgäu heißt. Zu empfehlen
sind dabei nicht nur Brauer-Schmankerl wie die
Bierrahmsuppe oder dasMalzmeister-Schnitzel, das
mit Biersenf eingerieben und mit Braumalz und
Semmelbrösel paniert wird, sondern auch ganz
traditionelle Gerichte wie die Allgäuer Käsesuppe,
Aviso Einkehr
Der Brauerei-Gasthof Post in Nesselwang
aviso 4 | 2014
Renaissance des zeichnens?
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Foto: Chris Müller | Chris Vogel