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Professor Dr. Hansgeorg Bankel

ist Architekturhistoriker. Er

war von 1972-1982 Mitglied der Grabungen der Glyptothek

München im Heiligtum der Aphaia auf Aegina, 1993 erschien

seine Monographie zur Architektur des spätarchaischen

Tempels. Nach Tätigkeiten am Deutschen Archäologischen In-

stitut Istanbul und am Deutschen Museum lehrte er von

1993-2014 Architekturgeschichte an der Hochschule München.

Als archäologischer Bauforscher liegen seine Schwerpunkte

in der Sakralarchitektur von Aegina, Priene und Knidos sowie

von Minturnae (Latium). Weitere Veröffentlichungen über

die klassizistischen Architekten Carl Haller von Hallerstein und

Leo von Klenze.

Zum Weiterlesen

n

»Blicke eines Bauforschers auf Carl Rottmanns Landschaften

mit Bildthemen aus Italien und Griechenland« ist der Titel

einer umfangreichen Studie des Verfassers, die frühestens

2018 erscheinen wird. Der Verfasser dankt »für wertvolle

Hinweise und fruchtbare Diskussionen herzlich Klaus Herr-

mann (+), Andreas Schmidt-Colinet, Jennifer Schmaus,

Dieter Schön und Werner Schnell.«

n

Herbert W. Rott u. a., Carl Rottmann, »Die Landschaften

Griechenlands«, Ostfildern 2007

n

Ludwig Lange, »Die griechischen Landschaftsgemälde von

Karl Rottmann in der neuen königlichen Pinakothek zu

München«, München 1854

n

Erika Bierhaus-Rödiger, »Carl Rottmann 1797-1850,

Monographie und kritischer Werkkatalog«, München 1978

n

Aust.-Kat. »Das neue Hellas. Griechen und Bayern zur Zeit

Ludwigs I.« (München, Nationalmuseum), hg. von Reinhold

Baumstark, München 1999

n

Kat. Ausst. »Mythos Olympia. Kult und Spiele« (Berlin, Gro-

piusbau), hg. von Wolf-Dieter Heilmeyer, Nikolaos Kaltsas,

Hans-Joachim Gehrke u. a., Berlin 2012

n

Ovid, »Metamorphosen«, übersetzt von Johann Heinrich Voss,

Braunschweig 1829, S. 235-266

n

Werner Schnell, »Noch eine politische Landschaft!

Eine historische. Überlegungen zur herrschaftslegiti-

mierenden Funktion von Carl Rottmanns Griechenland-Zyklus

(1838-1850)«, in: »Landschaft um 1800. Aspekte der Wahr-

nehmung in Kunst, Literatur, Musik und Naturwissenschaft«,

hg. von Thomas Noll, Urte Stobbe und Christian Scholl,

Göttingen 2012

Die ›gebogene Weide‹, im Aquarellentwurf (Abb. 4) durch

die Färbung der Blätter deutlicher zu identifizieren als beim

Wandgemälde, zeigt den Ort, wo Arethusa ihre Kleider ablegte.

DIE GESCHICHTE MUSS

jeder einigermaßen gebildete Ma-

ler des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts gekannt ha-

ben, Arethusa und Alpheios, zu denen sich gelegentlich auch

Artemis und Eros gesellten, war seit der Renaissance ein be-

liebtes Sujet für Skulpturen, Bilder und Graphiken. Das gilt

auch für die Landschaftsmalerei; man denke nur an die bu-

kolische Szene »Alpheus und Arethusa« von Johann König

(wohl nach Adam Elsheimer, um 1610) aus dem Augsburger

Schätzlerpalais, wo auch Kopfweiden und die Kleider der

Arethusa am anderen Flussufer zu sehen sind (Abb. 5), oder an

»Alpheus and Arethusa« des Engländers JohnMartin (1789-

1854), eine Szene in idyllischer Landschaft mit einem großen

See im Vordergrund, aus dem Arethusa vor Alpheios flieht.

Eine Darstellung dieses Themas ohne die mythologischen

Akteure ist dagegen einzigartig und in dieser Form nur Rott-

mann zuzutrauen. Auch für dieses Meisterwerk aus dem

Griechenlandzyklus gilt die Beobachtung des Architekten

Ludwig Lange, Reisebegleiter Rottmanns in Griechenland

und Verfasser der Texte zum Griechenlandzyklus: »Keine

Nichtigkeitsverhältnisse, keine unaufgelöste Form, was aus

Mangel an Gedanken so häufig selbst in bewunderten Wer-

ken vorkommt, wenn es auch durch Bravour zu machen; was

ist, das ist, weil es notwendig ist«.

ZURÜCK ZU »AIGINA«

(Abb. 1 u. 6): Vielleicht ist auch

hier die Hirschkuh ein Hinweis auf die von Pausanias 2.30,3

erwähnte Göttin Aphaia als Herrin des Tempels. Sie ist gleich-

zusetzen mit der kretischen Nymphe Britomartis, die auf der

Flucht vor einem Fischer auf der Insel Aigina unsichtbar wurde

(aphanes) und seitdem Aphaia hieß. Von Artemis wurde sie

besonders geliebt. Da Rotwild auf anderen Bildern des Grie-

chenlandzyklus außer Olympia und Aigina fehlt, kann man

sich gut vorstellen, dass Rottmann damit andeuten wollte,

dass auch der Tempel von Aigina über die Nymphe Aphaia

mit der Jagdgöttin Artemis verbunden war.

Wir wissen nämlich, dass zu Rottmanns Lebzeiten noch

unklar war, welcher Gottheit der Tempel geweiht wurde.

Nach Pausanias sind Aphaia oder Zeus Panhellenios möglich.

Athena kam in die Diskussion, weil die Mittelfiguren der bei-

den Giebelgruppen des Tempels Athena darstellen. Erst zu

Beginn des 20. Jahrhunderts konnte der Archäologe Adolf

Furtwängler durch den Fund der berühmten Weihinschrift

diese Frage für Aphaia entscheiden. Wie weit Rottmann in

diese Probleme eingeweiht war, wissen wir nicht. Man kann

sich aber gut vorstellen, dass er sich mit dem Altphilologen

Friedrich Wilhelm Thiersch (1784-1860), Vater der huma-

nistischen Bildung in Bayern, austauschte. Es ist überliefert,

dass sich Rottmann auf seiner ersten Italienreise (1826/27),

sobald er in die »Magna Graecia« eintrat, in Neapel Thierschs

Übersetzung des Pindar von 1820 als Vorbereitung für

seine Reise nach Sizilien besorgte. Er muss Thiersch gut

gekannt haben, sonst hätte er ihm nicht »mit manchemGlas

Sizilianer Dank für sein Meisterwerk gesagt« und geplant,

»ihm eine Flasche Syracusaner mitzubringen«, wie er in

einemBrief an seine Frau schrieb. Auch wissenschaftlich stand

er mit Thiersch im Dialog, aus Syrakus brachte er ihm die

Kopie einer Grabinschrift mit. Aus Thierschs Veröffentlichung

dieses »griechisch-christlichen Epitaphiums« aus dem Jahr

1829, in dem er »Herrn Carl Rottmanner, berühmt als einer

unserer geschicktesten und geistvollsten Landschaftsmaler«

dankt, erfahren wir auch, dass Rottmann »als Künstler des

Griechischen nicht kundig ist«. Diese Episode zeigt uns deut-

lich, dass der Maler mit dem Altphilologen ein freundschaft-

liches Verhältnis pflegte und sich wohl auch mit Fragen zur

antiken Literatur an ihn wenden konnte. Vielleicht plädierte

Rottmann (von Thiersch ‚angestiftet’) mit der Darstellung

einer Hirschkuh sogar leise für Aphaia als Herrin des Tem-

pels, schloss aber Athena nicht ganz aus? Darauf mag die

Eule, Lieblingsvogel dieser Göttin auf dem Baum der rech-

ten Bildhälfte (Abb. 6) hinweisen.

AUCH AUF ANDEREN

Gemälden Rottmanns mit Bildthe-

men aus Italien und Griechenland lassen sich solche mytholo-

gischen Rätsel entdecken, der archäologische Blick auf diese

Bilder lohnt sich also.

aviso 3 | 2016

ANTHROPOZÄN - DAS ZEITALTER DER MENSCHEN

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