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aviso 3 | 2016

ANTHROPOZÄN - DAS ZEITALTER DER MENSCHEN

WERKSTATT

Dr. Bernhard Maaz

ist Generaldirektor der Bayerischen

Staatsgemäldesammlungen.

Die Problematik der Epoche und ihrer Künstler ist mit die-

sen Schlaglichtern nicht erschöpfend behandelt; es kommen

Werke vonmehr oder weniger epochenprägenden Künstlern –

Georg Kolbe, Franz Radziwill undWolf Panizza – hinzu. Karl

Hofer, der vom verfolgten, ›entarteten‹ und ausgebombten

Maler in der Nachkriegszeit zur Schlüsselfigur der Figuration

aufrückte, und Karl Kunz (Augsburg 1905-1971 Frankfurt/

Main) seien abschließend genannt: Letzterer ist mit »Augs-

burger Bombennacht (Im Keller)« von 1945 vertreten und

zeigt gleichsam die künstlerischen Folgen der Weltkatastro-

phe, indem er in der Formensprache von Pablo Picasso nach

einer Bewältigung der Katastrophe sucht (Abb. 4). Kunz, der

als ›entarteter‹ Künstler diffamiert worden war und sichmit

der Arbeit imHolzhandel durch die Zeit des Nationalsozialis-

mus hindurchgebracht hatte, suchte nach einem Neuanfang,

nach Kontakten zu Willi Baumeister und Franz Roh, nach

einer neuen Moderne.

Diskurs statt Verdrängen

Einst war die klassische Moderne der Jahre bis 1933 in der

Staatsgalerie moderner Kunst ausgestellt, die in der Nach-

kriegszeit im nicht zerstörten Haus der Kunst eingerichtet

wurde. Man könnte das als einen Sieg der Kunst über die

Diktatur werten. Nunmehr sind aber versprengte Werke der

brüchigen Zeit in der Pinakothek der Moderne ausgestellt: ein

Sieg der Demokratie und des Diskurses über das Verschwei-

gen und Verdrängen. Kein Ort ist besser geeignet für Debat-

ten, was moderne Kunst sei und wo ihre Grenzen liegen, als

die Pinakothek der Moderne: Erst vor diesem Hintergrund

vermag man zu ermessen, was die Verbannung und Vernich-

tung der ›entarteten‹ Kunst anrichtete und wie diese sich

dennoch behauptete. Bis 1933, so Adolf Hitler einst, habe es

»in Deutschland eine sogenannte ›moderne‹ Kunst gegeben,

d. h. also, wie es schon imWesen des Wortes liegt, fast jedes

Jahr eine andere. Das nationalsozialistische Deutschland aber

will wieder eine deutsche Kunst, und diese soll und wird wie

alle schöpferischenWerte eines Volkes eine ewige sein.« Ange-

sichts der Werke im Saal 13 kann man die Debatte gegen die

Moderne, die Verstrickungen und Schicksale einzelner Maler,

die Revision des ›Entartungs‹-Verdiktes bei Graßmann, die

Bestrebungen desWiederauflebens nach 1945 nachvollziehen

und damit den ganzen Diskurs führen: Was ist Moderne, wer

definiert sie, was bleibt davon, und wie werden wir der Pflicht

gerecht, uns mit dieser Geschichte (in) der Kunst zu befassen?