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aviso 1 | 2017

NISCHEN IM FOKUS

:

COLLOQUIUM

»Kleine Fächer« vor großen

Herausforderungen?

Text:

Martin Hose

DER ›SCHEINRIESE‹ GEHÖRT

zu den eindrücklichsten

Schöpfungen inMichael Endes Kinderbuch ›JimKnopf und

Lukas der Lokomotivführer‹. Denn dessen aus der Ferne

riesenhafte Erscheinung schrumpft, je näher man ihm

kommt; aus nächster Nähe ist er schließlich ein freundli-

cher Herr normaler Größe. In Übertragung dieser interes-

santen Vorstellung von scheinbarer und realer Größe ist man

versucht, einer großen Teil der sogenannten ›Kleinen Fächer‹

als ›Scheinzwerge‹ zu bezeichnen. Denn je näher man ihnen

kommt, als desto größer erweisen sie sich.

»Kleine Fächer«: Dieser Begriff verdankt sich der Entwick-

lung des deutschen Hochschulwesens in den 1960er Jahren,

als an den rapide wachsenden Studierendenzahlen nicht

alle universitären Disziplinen gleichmäßig partizipierten,

sondern einige Fächer wie etwa die Germanistik oder die

Erziehungswissenschaften enorme Zuwächse zu verzeichnen

ZUR SITUATION EINES BEREICHS DER GEISTESWISSENSCHAFTEN

hatten, andere dagegen, etwa die Ägyptologie oder Gräzistik,

im Status quo verharrten. Die damit entstehende Differen-

zierung bildete sich beim Ausbau des Universitätssystems

in zweierlei Hinsicht ab. Zum einen stieg auch die Zahl der

Lehrenden in den nun sogenannten ›Massenfächern‹, zum

anderen wurden an den in den 1960-er und 1970-er Jah-

ren neugegründeten Hochschulen in der Regel nur je einige

wenige der ›Kleinen Fächer‹ etabliert.

DIE LAGE DER

Kleinen Fächer wird seit längerem vom

deutschen Wissenschaftssystem beobachtet. Bereits 1974/5

publizierte der Deutsche Hochschulverband eine zweibändi-

ge »Struktur- und Funktionsanalyse« der Kleinen Fächer an

den deutschen Hochschulen. Von 2007 bis 2012 beobachtete

und analysierte eine u. a. vom Bundesministerium für Bil-

dung und Forschung geförderte ›Arbeitsstelle Kleine Fächer‹

an der Universität Potsdam die Situation dieser Disziplinen;

oben

Archäologische Feldforschung – die Doktorandin der Graduiertenschule »Ferne Welten« (LMU) Samar Shammas bei einer Grabung

in Tell Sakkar (Syrien).