![Show Menu](styles/mobile-menu.png)
![Page Background](./../common/page-substrates/page0037.jpg)
37
Toni Pfülf (1877–1933)
Einsichten und Perspektiven 2 | 17
send sind, zurückweisen. Allerdings maße ich mir nicht
an, die weitgreifenden juristischen Kenntnisse des Herrn
Abgeordneten Dr. Düringer zu besitzen. Aber ich glaube
auch nicht, daß diese Frage eine rein juristische Frage
ist, sondern sie ist eine eminent menschliche. Ich habe
als Frau seit 20 Jahren mit wachsendem schmerzlichen
Erstaunen gesehen, wie wenig die Gesellschaft getan hat,
prophylaktisch einzuwirken, den Menschen von vorne an
vor der Schuld zu bewahren, und wie diese selbe Gesell-
schaft, die den Menschen in die Schuld hineingeführt hat,
sich dann anmaßt, über das Leben dieses Schuldigen, des-
sen Schuld die Gesellschaft trägt, in dieser Weise zu urtei-
len. Aus diesem Grunde habe ich im Verfassungsausschuß
zu der Frage gesprochen, durchaus nicht von irgendeinem
spitzfindigen juristischen Grunde aus, sondern aus reiner
Menschlichkeit und aus reinem Erbarmen mit den Men-
schen, die die Gesellschaft so macht, wie sie sind.“
15
15 wie Anm. 14, [Stand: 01.05.2017].
Vielseitig engagierte Reichstagsabgeordnete
Auf der SPD-Frauenkonferenz 1920 in Kassel istToni Pfülf
mit einem Co-Referat zum Thema „politische Wirksam-
keit der Frauen“ vertreten. Hier ergründet sie scharfsinnig
die innere Gegenwehr männlicher Politiker gegen das neu
errungene Frauenwahlrecht: Dieses Recht bedrohe nicht
nur den männlichen Besitzanspruch an der Frau, sondern
auch die „schöne und bequeme Fabel des höheren Wertes
des männlichen Geschlechts innerhalb der menschlichen
Gattung und damit ihr Monopol auf die Herrschaft in der
Familie und im Staat.“ Das treffe auch auf Sozialdemokra-
ten zu, welche zwar mit dem Verstand für die wirtschaftli-
che und soziale Befreiung der Frauen eintreten, nicht aber
mit dem Herzen; denn: „Der Geschlechtsstolz trägt eben
nur zu gern den Sieg davon über die Prinzipien.“
16
Daher
könne die Befreiung der Frau nur durch die Frau selbst
erkämpft werden. Pfülf nennt paradigmatisch die Gleich-
16 Toni Pfülf: „Die politische Wirksamkeit der Frauen“, in: Bericht über die
Frauenkonferenz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands abgehal-
ten am 9. und 10. Oktober 1920 in Kassel, Berlin o.J. [1921], S. 15–24.
Weibliche Abgeordnete der Nationalversammlung, 1919: Von links vorne Wilhelmine Eichler, Johanna Tesch, Elisabeth Röhl, Ernestine Lütze, Anna Simon, Frida Lührs,
Marie Juchacz, dahinter von links: Clara Bohm-Schuch, Anna Blos, Johanna Reize, Elfriede Ryneck, Frieda Hauke, Antonie Pfülf, Minna Martha Schilling
Foto: sz-photo/Scherl