Interview mit Andrea Blendinger,
Staatliche Schulpsychologin und Landeskoordinatorin KIBBS
Warum sind Sie in der Corona-Krise aktiv
geworden?
Normalerweise bieten wir von KIBBS
Schulen Unterstützung in einem gravieren-
den Krisenfall vor Ort an. Dies war in Zeiten
der Schulschließung ja leider nicht möglich.
Aber wir waren uns sicher: Die psychosozi-
ale Unterstützung, die wir sonst an einer
Schule leisten, und unser Knowhow, das
können wir jetzt allen zur Verfügung stel-
len. Eine besonders wichtige Zielgruppe
sind dabei die Eltern, damit sie in dieser Kri-
sensituation ihre Kinder zuhause gut unter-
stützen können.
Wie können Eltern mit den Kindern um-
gehen, wenn diese in einer Krisensituati-
on Stresssymptome zeigen?
Zunächst kann es für Eltern beruhigend
sein, zu wissen: Stresssymptome zu zeigen
ist in einer solchen Krisensituation natür-
lich. Wichtig ist, gut zu beobachten: Wie
geht’s unseremKind? Wie geht’s uns als Fa-
milie? In Kontakt zu bleiben, mit demKind
zu reden, wenn es das möchte, und so her-
auszufinden: Wo genau liegt das Problem?
Was fehlt? Wovor hat das Kind Angst? … Und
dann kann man gemeinsam überlegen, was
es braucht und was es vielleicht auch selbst
tun kann.
Wie erklärt man einem Kind die aktuelle
schwierige Situation?
Wenn überall darüber gesprochen wird, ist
es auch richtig, demKind die Wahrheit zu
sagen. Das sollte aber in kindgerechter
Form passieren. Helfen können dabei zum
Beispiel auch Erklärvideos für Kinder. Und
man sollte keine Angst schüren, sondern
auch erklären, was getan wird, um die Situ-
ation zu verbessern: Wir sind jetzt öfter zu-
hause und halten Hygienemaßnahmen ein,
um uns und andere Menschen zu schützen.
Oft sind für Kinder die fehlenden sozialen
Kontakte ein Problem. Wie kann man die-
se trotzdem aufrechterhalten?
Es gibt da mittlerweile viele Möglichkeiten,
per Telefon oder Videokonferenz übers In-
ternet. Vielleicht kann man mal wieder ei-
nen Brief schreiben. Eine Familie hat mir
erzählt, sie verbinden den gemeinsamen
Spaziergang mit dem Einwerfen von Brie-
fen bei den Freundinnen der Tochter. Das
ist natürlich eine schöneMöglichkeit, um
Kontakt zu halten.
Warum ist ein geregelter Tagesablauf be-
sonders wichtig?
Trotz der ungewöhnlichen Situation sollte
man eine gewisse Normalität aufrechterhal-
ten: Struktur gibt Sicherheit! Eine feste Zeit
zumAufstehen, ein gemeinsames Früh-
stück zumBeispiel. Die beste Zeit für das
„Lernen zuhause“ ist aus meiner Sicht der
Vormittag. Da sind Kinder amfittesten, wenn
sie noch nicht so viele andere Dinge gefor-
dert haben. Natürlich kann das auch anders
gelingen, wenn die Familiensituation es er-
fordert. Hilfreich ist es dann, vor demStart
eine Erholungsphase einzuplanen.
Gibt es eine Anlaufstelle in der Krisensi-
tuation?
Es ist gut, wenn die Eltern und Schüler mit
den Lehrkräften in Kontakt bleiben. Zudem
gibt es für jede Schule eine zuständige Be-
ratungslehrkraft und einen Schulpsycholo-
gen, die erreichbar sind. Darüber hinaus
stehen natürlich die Staatlichen Schulbe-
ratungsstellen mit ihren Ansprechpart-
nern zur Verfügung.
| jf
Andrea Blendinger koordiniert gemeinsam
mit ihrer Kollegin Doris Engelmann den
Einsatz des KIBBS-Teams in Bayern
Lernen in Zeiten der Corona-Krise
| Schule & wir | 13
KIBBS
(Kriseninterventions- und
-bewältigungsteam bayeri-
scher Schulpsychologinnen
und Schulpsychologen)
Mitglieder bei KIBBS sind Schul-
psychologen, die eine Fortbil-
dung in psychosozialer Notfall
hilfe haben. Sie unterstützen
Schulen, Schulleitungen und
Lehrkräfte, wenn es gravierende
Krisen an einer Schule gibt. Sie
beraten dann die Schulleitung
im Krisen-Management-Prozess,
also geben Handlungsempfeh
lungen ab, und sind ansprechbar
auch für Eltern und Schüler.
Jeder Regierungsbezirk hat ein
KIBBS-Team.
www.kibbs.de