aviso - Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern - page 18-19

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Es ist voll
beim Musikantentreff im Hofbräuhaus. Eben noch hat
die Oberaudorfer Band BavaroBeat mit Tuba, Trompete und Cajon den
Volkstanz »Kikeriki« gespielt. Da tragen plötzlich ein paar Musiker aus
Simbabwe ihre Xylophone in den Raum. Die Organisatorin Franziska
Eimer ruft lakonisch Richtung Musikantentisch: »Die spuin a paar
Stückl. Mir solln dann alle auf C-Dur mitspielen.« Und dann passiert
das Wunderbare: Es funktioniert. Musikerinnen und Musiker aus ver-
schiedenen Kontinenten, die sich vorher noch nie gesehen haben, impro-
visieren spontan den ganzen Abend zusammen. Das Publikum tanzt in
Dirndl und Blue Jeans ausgelassen zu den afro-bayerischen Rhythmen.
Solche Erlebnisse gehören zu den ganz besonderen Momenten beim
Musikantentreff im Hofbräuhaus. Alles scheint sich zu verdichten und
die Energie wird beinahe körperlich greifbar. Dieser Elan steckt in vie-
len jungen Musikerinnen und Musikern, die in Bayern aufspielen. Ihre
Grundeinstellung: Sich auf Altes beziehen und trotzdemNeues schaffen,
Wert auf regionale Identität legen und doch einen weitenHorizont haben.
Heimat-Hype und Bayern-Musik
Momentan interessiert sich die Öffentlichkeit verstärkt für dieses Phä-
nomen, das mit immer neuen Namen bedacht wird: »Neue Bayerische
Welle«, »Musik aus Bayern«, »Neue Volxmusik«. Unter diesen Labels
werden Gruppen zusammengefasst, die keine geschlossene Szene bil-
den und sehr unterschiedliche Musik machen. Gemeinsam haben sie
eigentlich nur zwei Dinge: dass ihre Musik progressiv wirkt und irgend-
wie mit Bayern assoziiert wird. Deshalb verwende ich dafür den Begriff
»Bayern-Musik«. Ausgeborgt habe ich ihn mir bei Ernst Schusser, dem
Leiter des Volksmusikarchivs des Bezirks Oberbayern.
Besonders spannend am
Phänomen Bayern-Musik finde ich, dass
viele Gruppen Einflüsse unterschiedlichster Herkunft verarbeiten, ihre
Musik aber trotzdem für das einheimische Publikum klar in Bayern ver-
ortet zu sein scheint. Deshalb habe ich beschlossen, darüber eine musik-
wissenschaftliche Doktorarbeit mit dem Titel »Transkulturelle Musik-
prozesse in Oberbayern« zu schreiben. Ich möchte herausfinden, wovon
sich die Musikerinnen undMusiker tatsächlich beeinflussen lassen, wie
sie die Elemente unterschiedlicher Musiktraditionen kombinieren und
warum das Ganze dann letztlich mit Bayern in Verbindung gebracht
wird. Das untersuche ich anhand von LaBrassBanda, den CubaBoari-
schen, Monaco F und dem Musikantentreff im Hofbräuhaus.
Rückblick: Die Geschichte der Bayern-Musik
Doch zunächst ein Blick in die Vergangenheit: Vom Prinzip her ist die
»Neue Bayerische Welle« nämlich alles andere als neu. Sie vereint ver-
schiedene Strömungen und Szenen mit je eigener Geschichte: Populäre
Musik im Dialekt, Volksmusik-Crossover und progressive Volksmusik.
Die Urspünge der heutigen Bayern-Musik liegen in den 1970er Jahren.
Bereits 1969 spielte
die Münchener Untergrund-Band Rem-
bremerdeng Rockmusik mit Mundartexten. Die Vorreiterrolle in dieser
Stilrichtung hatte aber lange Zeit Österreich, wo auch bairische Dialekte
Text:
Lorenz Beyer
Transkulturelle Musikprozesse in Oberbayern
aviso 2 | 2014
QUINTENSPRÜNGE
Colloquium
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Quintensprünge
Colloquium
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© Lorenz Beyer
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