aviso 2 | 2014
QUINTENSPRÜNGE
aviso Einkehr
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EINKEHR
D i e s c h ö n s t e n d e n k m a l g e -
schützten Wirtshäuser und Gast-
höfe in Bayern sind (noch) nicht
so be k ann t w i e v i e l e unser er
Schlösser, Burgen und Kirchen.
Das muss sich ändern! In »
aviso
Einkehr« stellen wir Ihnen des-
halb die schönsten kulinarisch-
bavarischenMusentempel vor: alle
respek table und authent i sche
Zeugnisse unserer reichen Bau-
kultur und: In allen kann man her-
vorragend essen, in manchen auch
übernachten.
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bens, dafür bildenMost- und Leberknödelsuppe, fränkische Bratwürste,
Schweinenackensteaks, zarte Hähnchenbrustfilets und fränkischer
Sauerbraten nicht den rechten Hintergrund, auch wenn der eine oder
andere Kochshow-Star das anders sehen mag. Das Wild, bevorzugt aus
dem Spessart, wo der geerdet wirkende Restaurantchef Frank Kulinna
eine kleine Jagd hat, braucht den modernistischen Aufputz natürlich
erst recht nicht. Und beim Fisch macht dem passionierten Angler und
Hochseefischer ohnehin kaum einer was vor. »Säubern, säuern, salzen,
etwas Pfeffer und beim Braten gute Butter«, heißt die solide alte Regel,
die er ganz am Anfang seiner Laufbahn verinnerlicht hat. Ingwer und
Chili haben auch da keinen Platz.
Kulinna ist vor
seiner ›Landung‹ in Würzburg herumgekommen:
Gelernt hat er imWaldhotel Brands Busch in Bielefeld, schon mit 21 Jah-
ren war er Küchenchef in der renommierten Bielefelder Fischgaststätte.
Nach wenigen Jahren übernahm er die gleiche Position in einemHotel in
Bad Kissingen, gefolgt vom Kurgarten-Café mit der traditionellen Aus-
richtung großer Büfetts und der Mitgestaltung von Anlässen wie dem
Rakoczy-Fest. In der Winterpause ging er nach Veitshöchheim in die
fränkisch-solide Büttnerschänke, wo er auch seine Frau kennen lernte.
Danach führte er die beliebte Fischerbärbel an der dortigen Mainlände
und dann war Würzburg dran: Seit Januar 2001 ist er, tatkräftig unter-
stützt durch seine Frau Edith, Pächter und Geschäftsführer der Julius-
spital-Weinstuben. Sie ziehen viele Gäste aus Würzburg und aus aller
Welt an und der Chef macht davon ganz bewusst wenig Wesens, auch
wenn sie Genscher, Schröder, Waigel oder Stamm heißen. Sie kommen
privat und sollen sich wohl fühlen.
Das kann man hier ohne Zweifel. Schon im offenen Eingangsbereich und
an der Theke mit ihrem auf einem großen Schild notierten hauseigenen
Weinen. Die verschiedenen Stuben – Echter-Stube, Iphöfer Kammer,
Frankenzimmer – zeigen gedämpfte Farben, Muschelkalk und Sand-
stein, viel Holz, gemütliche Sitzecken, bieten aber auch Platz genug für
kleinere und größere Gruppen. Und im Sommer ist natürlich der neu
gestaltete Weinstubenhof mit seinen Sonnenschirmen Hauptanzie-
hungspunkt. Apropos ›neu gestaltet‹. Die meisten Gäste sind der Mei-
nung, dass sich hier seit Jahrzehnten nichts verändert hat, sie genießen
das »vertraute Flair« und freuen sich, dass sich an bestimmten Stellen
die Welt doch nicht ganz so schnell dreht. Das täuscht ein wenig: »Bei
der letzten Modernisierung wurde hier das Schmiedeeisen tonnenweise
hinausgetragen!«, betont Kulinna, »aber bis auf den Hof wurde natür-
lich der Kern nie verändert.«
Und die Speisen?
»Da hat sich in Deutschland in den letzten
20 Jahren viel getan«, meint er. Und wir sind mit der Zeit gegangen:
viele frische Salate, leichtere Speisen, Gerichte für Vegetarier. Im Kern
aber gilt für Chefkoch Falk Neumann das nirgendwo niedergeschrie-
bene »Juliusspital-Kochbuch« nach wie vor: Das Essen muss zu den
Weinen passen, es muss ihrer unbestrittenen Qualität die Waage hal-
ten, die Zutaten müssen schmeckbar sein, ›rein‹ wirken, sie dürfen nicht
zugekleistert werden. Und Anregungen sollen zwar aufgenommen, aber
nie so umgesetzt werden, dass die Optik in den Vordergrund tritt oder
besonders gewagte Kombinationen die Akzente setzen. »Wir sind kein
Sterne-Restaurant und wollen das auch gar nicht sein. Ein Haus, das
aufgrund seiner Beliebtheit im Jahr allein 3 Tonnen Wildschwein und
jeden Monat eine Tonne Kartoffeln verarbeitet, hat da andere Sorgen.«
Die Auszeichnungen an den Wänden, z. B. Gastronomiepreis Franken,
Text:
Stefan Krimm
»Juliusspital« ist für
mancheWeinfreunde ein
Zauberwort: mit 170 ha zweitgrößtes Weingut zwi-
schen Rhein und Elbe, flächenmäßig bedeutends-
ter deutscher Silvanerproduzent, seit Jahrzehnten
in Franken ganz mit vorne in den großenWeinfüh
rern und allenthalben Respekt. Wie geht das?
Nun, man hat hier hohe Standards, einen langen
Atem und natürlich mit die besten Lagen in und
umWürzburg. Und man verfügt über ein gut gele-
genes »Schaufenster«, um Eingesessenen wie Tou-
risten die jeweiligen Besonderheiten zu präsentie-
ren: die Juliusspital-Weinstuben. Wer hier nicht
zumindest einen Abend verbracht hat, kennt das
Flair der herrlichen Stadt amMain nicht ganz. Viele
Besucher sind – oft schon seit Studentenzeiten –
beileibe nicht zum ersten Mal da.
Dabei wirkt die
Lokalität von außen bescheiden.
Der Respekt gebietende Spätrenaissance-Block des
ursprünglich von Fürstbischof Julius Echter von
Mespelbrunn errichteten Spitalgebäudes mit sei-
nem herrschaftlichen Innenhof, dem von Antonio
Petrini gestalteten schlossartigen Nordflügel, dem
großen Garten und der hübschen, heute für Feiern
genutzten Rokoko-Anatomie hat für sie in der der
160 m langen Fassade des enormen Baus kein stra-
ßenseitiges Portal vorgesehen, sondern nur eine
Art Nebeneingang. Alles andere wäre dem eben-
so frommen wie gestrengen Bauherrn wohl auch
frivol vorgekommen. Als er 1576 als Letzter sei-
nes Geschlechts die noch heute bestehende wohl-
tätige Stiftung errichtete, dachte er in der Traditi-
on der sieben Werke der Barmherzigkeit an »Alte,
Kranke und Bresthafte«. Die im Durchgang zum
Garten angebrachte »steinerne Urkunde« zeigt das
noch heute. Allerdings sind darauf – erkennbar an
Wanderstäben und Abzeichen – auch zwei Pilger
zu sehen. Das mag die heutige Bewirtung zumin-
dest im Ansatz rechtfertigen. Sie ist, das soll gleich
gesagt werden, bei aller Qualität nicht schickimi-
ckihaft, sondern fränkisch-solide. Solches hätte der
mit den spitzen »Echter-Türmen« vieler Kirchen in
Unterfranken landschaftsprägend gewordene Kir-
chenfürst wohl hingenommen. Und natürlich hät-
te er auch goutiert, dass die Zutaten für die ebenso
kräftige wie wohlschmeckende Kost fast vollstän-
dig von persönlich bekannten Produzenten und
Jägern aus der Umgebung kommen, früher hät-
te man gesagt: von den ›Untertanen‹, für deren
Auskommen sich Echter ja verantwortlich fühlte.
Landschaftsgeprägt ist demnach auch die Küche
der Spitalweinstuben – und zwar nicht erst seit
Neuestem: Ingwer und Chili sucht man hier verge-
Aviso Einkehr
Die Juliusspital-Weinstuben und
die sieben Werke der Barmherzigkeit
Wegbeschreibung
Die Weinstuben Juliusspital finden Sie auf der
Juliuspromenade, Ecke Barbarossaplatz,
nur drei Fußminuten vom Hauptbahnhof oder
vier Fußminuten vom Marktplatz entfernt
in bester Innenstadtlage in Würzburg.
Weinstuben Juliusspital Würzburg
Pächter: Frank und Edith Kulinna
Juliuspromenade 19/Ecke Barbarossaplatz
97070 Würzburg
Telefon: 0931 . 5 4080 | Telefax: 0931 . 5717 23
Täglich geöffnet von 10-24 Uhr
1. Platz Weinlokal 2007, 2008 und 2009, 1. Platz
Fischrestaurant 2007 und 2008, um nur ein paar
zu nennen, zeigen, dass das Bewältigen dieser »Sor-
gen« auch von Fachleuten anerkannt wird. Wie
aber lässt sich Qualität in diesen Dimensionen
gewährleisten? »Nun, wir haben nicht nur einen
vorzüglichen Küchenchef, sondern auch bestens
geschultes Personal: allein 30 Festangestellte, eine
Teilzeitkraft und nur sieben Aushilfen. Das ist ein
Riesenvorteil.«
Diesen Vorteil kann
der Chronist bestätigen:
So schnell und sachkundig wie hier wird man nicht
überall in Würzburg umsorgt. Auch bei umfäng-
licheren Gruppen achten die Kellner darauf, dass
die diversen Speisen allen Teilnehmern möglichst
zum gleichen Zeitpunkt serviert werden. Und
besonders wohltuend: Die Weinempfehlungen
erfolgen allein imHinblick auf die gewählten Spei-
sen und ohne Schielen auf den Preis.