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aviso 1 | 2015

DIGITALE WELTEN

RESULTATE

tungen zugegangen ist und sich gezielt umdie Über-

gabe solcher Daten bemüht hat. Auf diese Weise

gelang es bereits, wichtige elektronische Unterla-

gen zu sichern, darunter mehrere Zeitschnitte der

Digitalen Flurkarte, bis in die 1960er Jahre zurück-

reichende Statistikdaten, elektronische Haftbücher

der bayerischen Justizvollzugsanstalten (Landes-

amt für Statistik undDatenverarbeitung), aber auch

elektronische Amtsdrucksachen der Landratsämter

und der Arbeitsagenturen in Bayern.

Bei der Aussonderung elektronischer Unterlagen

treffen die Archivare nur selten auf standardi-

sierbare Voraussetzungen, das heißt, sie müssen

von Behörde zu Behörde, ja oft sogar von Fachan-

wendung zu Fachanwendung jeweils individuelle

Lösungen finden und entsprechende Schnittstel-

len entwickeln. Dies stellt oft auch für die abge-

benden Stellen eine Belastung dar. Umso erfreu-

licher ist es, dass sich alle Behörden, mit denen

die Archive bislang in Verhandlungen eingetre-

ten sind, als äußerst kooperationsbereit erwiesen

haben. So konnte bislang immer eine angemes-

sene Lösung gefunden werden.

Provisorische Sicherung der Daten

im Rechenzentrum

Die bislang übernommenenDatenwurden zunächst

eher provisorisch gesichert, indem sie redundant

auf Festplattenspeichern imRechenzentrumNord

hinterlegt wurden. Dies ermöglichte den Erhalt der

Daten, nicht jedoch einen geregelten Übernahme-

prozess, eine archivische Bearbeitung und Erschlie-

ßung und schon gar nicht die kontrollierte Erhal-

tung und die Vorlage des elektronischen Archivguts

im Rahmen der Archivbenützung.

Durch die wachsenden Datenmengen stieg des-

halb der Druck, eine professionelle Umgebung für

die Archivierung elektronischer Unterlagen aufzu-

bauen, ständig. Entscheidende praktische Schritte

auf dem Weg zum Digitalen Archiv waren dabei

das 2010 gestartete Pilotprojekt zur Evaluierung

einer geeigneten Softwarelösung sowie die daraus

erwachsene Entscheidung für den Abschluss einer

Entwicklungspartnerschaft mit dem Landesarchiv

Baden-Württemberg und den hessischen Staats-

archiven im Februar 2012.

Entwicklungspartnerschaft

mit Baden-Württemberg und Hessen

Diese Entwicklungspartnerschaft zielte darauf ab,

das Digitale Archiv gemeinsam zu konzipieren und

zu programmieren. Orientierungshilfe und Grund-

lage für die Aufgabenverteilung bot dabei das so

genannte OAIS-Modell (Open Archival Information System). Dieses

ist inzwischen international standardisiert und erläutert die einzelnen

Funktionalitäten, die ein Digitales Archiv erfüllen muss. Der große

Vorteil für eine verteilte Entwicklung besteht dabei darin, dass es ver-

schiedene Bausteine definiert und deren Funktionen klar voneinander

abgrenzt. Auf dieser Grundlage konnte zwischen den Entwicklungs-

partnern eine klare Aufgabenverteilung erfolgen. Während das Land

Baden-Württemberg seine bereits im Produktivbetrieb befindliche Spei-

cherlösung, im OAIS-Modell als Storage-Komponente bezeichnet, in

die Entwicklungspartnerschaft einbrachte, sollte Hessen für das

Ingest-Modul verantwortlich zeichnen. Dessen Funktion ist es, die von

den staatlichen Stellen übermittelten elektronischen Daten entgegen-

zunehmen und an den Digitalen Speicher zu übergeben. Bayern wie-

derum übernahm die Aufgabe, das so genannte Access-Werkzeug zu

entwickeln, das es ermöglichen sollte, die archivierten Daten aus dem

Speicher zurückzuholen und sie so aufzubereiten, dass sie dem Benüt-

zer zur Einsichtnahme vorgelegt werden können.

Weiterer Ausbau des Digitalen Archivs

Diese drei Komponenten existieren inzwischen und erlauben es uns

nunmehr, das Digitale Archiv in seinem ersten Ausbauzustand zu

eröffnen. Gleichwohl ist damit der Auf- und Ausbau des Digitalen Archivs

keineswegs abgeschlossen. So fehlen nach wie vor einige Komponen-

ten zu einem Digitalen Archiv im vollen, vom OAIS-Modell definierten

Funktionsumfang. So wird zur Erstellung und Verfügbarmachung der

Erschließungsinformationen und zur Verwaltung der Bestände (Data

Management) ein Archivinformationssystem benötigt. Da dieses nicht

Gegenstand der gemeinsam entwickelten Softwareumgebung ist, muss

es auf dem freien Markt beschafft werden. Schließlich bedarf es zur

Erhaltung der Daten noch eines so genannten Preservation Plannings.

Damit ist gemeint, dass die Daten und ihre Formate laufend über-

wacht, ihre Validität und Integrität geprüft und rechtzeitige Schritte

zur Migration der Daten eingeleitet werden müssen, wenn Datenfor-

mate veralten und die Gefahr droht, dass sie mit Standardwerkzeugen

nicht mehr lesbar gemacht werden können.

Aber auch nach Schließung dieser Lücken wird der Ausbau des Digi-

talen Archivs und die Erhaltung des elektronischen Archivguts wohl

eine dauernde Herausforderung bleiben, die laufende Antworten auf

sich verändernde technologische Gegebenheiten erfordern wird. So wer-

den die einzelnen Komponenten kontinuierlich an wechselnde Daten-

typen und Datenformate angepasst werden müssen. Auch die Funk-

tionalitäten des Digitalen Archivs müssen noch weiter ausgebaut und

optimiert werden, um die Bedürfnisse unserer Nutzer besser erfül-

len zu können. Außerdem ist es schon aus Rationalisierungsgründen,

aber auch zur Verbesserung der Dienstleistungsqualität erforderlich,

die einzelnen Teilprozesse der digitalen Archivierung noch stärker zu

automatisieren. Schließlich wird die technologische Entwicklung dazu

führen, dass zur Pflege der übernommenen Daten laufend neue Kon-

zepte und Migrationsverfahren entwickelt werden müssen. Diese Her-

ausforderungen werden vermutlich nie abschließend zu lösen sein. Sie

machen mehr als deutlich, dass die Schaffung eines Digitalen Archivs

eine Daueraufgabe ist und bleiben wird.

Dr. Bernhard Grau

ist Leitender Archivdirektor und Stellvertreter

der Generaldirektorin der Staatlichen Archive Bayerns.