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aviso 3 | 2016

ANTHROPOZÄN - DAS ZEITALTER DER MENSCHEN

WORAUF ICH MICH FREUE

WORAUF ICH MICH FREUE

CLAUDIA BARCHERI

ICH WERDE EIN

halbes Jahr in die USA fahren. Das stellt

für mich eine große Chance dar. Zum Teil werde ich unter­

wegs sein und das Land auf Fahrtwegen erkunden. Dabei

interessieren mich vor allem der Südwesten des Landes, die

Wüstengebiete in Utah, Arizona und NewMexico. Ich werde

mich auch für ein oder zwei längere Aufenthalte entscheiden,

wahrscheinlich Los Angeles und New York, vielleicht auch

anderswo. Menschen begegnen, an ihrem Leben teilhaben,

ihren Gewohnheiten. Künstler natürlich, die ich in ihren

Ateliers besuchen werde. Aber auch ganz normalen Alltag

an einem neuen Ort erfahren. Inspirationen in Museen und

Ausstellungen sammeln. Überhaupt: Material sammeln.

Ein halbes Jahr USA. Das ist eine Herausforderung. Der Auf­

enthalt an einem anderen Ort bedeutet für mich auch, eine

gewisse Comfortzone zu verlassen, sprich unter neuen Um­

ständen aktiv zu sein, ohne das gewohnte soziale Umfeld

und Netzwerk. Die gebräuchlichen Filter abzulegen und so

mit maximaler Offenheit auf die Dinge zuzugehen. Die Fülle

neuer Eindrücke zu genießen, bei denen noch keine Vorse­

lektion stattgefunden hat. Offen zu sein für neue Kontakte

und Austausch.

ES WIRD NOTWENDIG

sein, eine neue Struktur zu schaf­

fen. Ich muss mich mit neuen Abläufen, Wegen, Umständen

konfrontieren, mich in einer anderen Sprache verständigen.

Der Aufenthalt bedeutet auch, sechs Monate ohne Atelier

und mein gewohntes Arbeitsumfeld auszukommen. Gerad

e

diese Reduktion finde ich befreiend und herausfordernd. Sie

bietet die Möglichkeit, neue Arbeitsansätze auszuprobieren,

mit Material vor Ort zu arbeiten, auf eine neue Art erfinde­

risch zu sein und neue Einflüsse zuzulassen. Gern möchte

ich temporäre Arbeiten vor Ort schaffen, um auf diese Art

und Weise eine Spur zu hinterlassen.

ICH FREUE MICH

auf die Stolpersteine, an denen sich die

Wahrnehmung reibt und aus denen ich Inspiration schöp­

fen kann. Das Schönste werden die vielen Unberechenbar­

keiten und Überraschungsmomente sein. Die Distanz zum

Gewohnten und zur Routine bedeutet für mich auch eine

Schärfung dessen, was mir wichtig ist. Bereichernd finde

ich auch das Reflektieren über die bisherige Arbeit unter

anderen Parametern. Die Distanz wird einen neuen Blick

auf das Bisherige schaffen und vielleicht das eine oder

andere relativieren.

Worauf ich mich besonders freue: Eine Landschaft, die von

einer ganz anderen Weite, Dimension und Distanz geprägt

ist und sich erfahrungsgemäß positiv auf das Fühlen und

Denken auswirkt. Überhaupt den Zustand des Reisens zum

ersten Mal über einen längeren Zeitraum erfahren zu können.

Claudia Barcheri

hat eines der Stipendien für einen halb-

jährigen Aufenthalt in den USA bekommen, das der Freistaat

Bayern jährlich drei bildenden Künstlerinnen oder

Künstlern unter 40 Jahren aus Bayern gewährt. Barcheri ist

in Bruneck in Südtirol aufgewac

hsen und lebt in München.

www.claudiabarcheri.com

© Leonie Felle

Blick in die Ausstellung »Spa«.