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Text:

Stefan Eisenhofer

EIN ZENTRALESWERK

der Münchner Kunstgeschichte stammt aus

demwestafrikanischen Kamerun: Ein bemalter Holzpfosten, der relief­

artig mit Tierfiguren und symbolischen Zeichen beschnitzt ist. Denn

unter jenen afrikanischenWerken, die sich bereits vor über einhundert

Jahren in der Königlich Ethnographischen Sammlung befanden, war

Franz Marc offenbar vor allem von diesem Schnitzwerk aus Südkame-

run beeindruckt. Er ließ es daher als Illustration für den Artikel »Die

Masken« von August Macke in den 1912 erschienenen berühmten Al-

manach »Der Blaue Reiter« aufnehmen – und schrieb an seinen Freund,

dass dessen Artikel mit »ethnographischen Wundern ausgestattet«

worden sei. In seiner Offenheit gegenüber außereuropäischem Kunst-

schaffen traf sichMarc mit demEmpfänger des Briefes, der seinerseits

im Almanach schrieb: »Die geringschätzige Handbewegung, mit der

bis dato Kunstkenner und Künstler alle Kunstformen primitiver Völ-

ker ins Gebiet des Ethnologischen oder Kunstgewerblichen verweisen,

ist zum mindesten erstaunlich«.

Im Jahr zuvor hatte Marc einen Berlin-Aufenthalt dazu genutzt, um

dort künstlerische Studien zu betreiben. Anschließend schrieb er sei-

nem Freund und Künstlerkollegen Macke: »Ich war sehr ausgiebig im

Völkerkundemuseum, um die Kunstmittel ›primitiver Völker‹ … zu

studieren – ich bin in diesem kurzen Winter schon ein ganz anderer

Mensch geworden«. Im selben Brief bekannte Marc: »Ich blieb schließ-

lich staunend und erschüttert an den Schnitzereien der Kameruner

hängen, die vielleicht nur noch von den erhabenen Werken der Inkas

überboten werden«.

»das kalte Frührot

künstlerischer Intelligenz«

»Der Blaue Reiter« und die Afrika Sammlung im Museum

Fünf Kontinente München

© Marianne Franke, Museum Fünf Kontinente | Universitätsbibliothek Heidelberg

linke Seite

Dieser beschnitzte Pfosten aus Kamerun beeindruckte Franz Marc

und Wassily Kandinsky so stark, dass sie ihn als Abbildung in ihrem Almanach

»Der Blaue Reiter« aufnahmen.

unten

Titelseite des Almanachs »Der Blaue Reiter« (1912), hg. von Wassily

Kandinsky und Franz Marc. Das programmatische Werk umfasste, so Franz Marc,

»die neueste malerische Bewegung in Frankreich, Deutschland und Russland

und zeigt ihre feinen Verbindungsfäden mit der Gotik und den Primitiven, mit Afrika

und dem großen Orient, mit der so ausdrucksstarken ursprünglichen Volkskunst

und Kinderkunst, besonders mit der modernen musikalischen Bewegung in Europa

und den neuen Bühnenideen unserer Zeit«.

aviso 3 | 2017

AFRIKA IN BAYERN

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