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aviso 3 | 2017

AFRIKA IN BAYERN

COLLOQUIUM

Dr. Stefan Eisenhofer

ist Leiter der Abteilungen Afrika und

Nordamerika am Museum Fünf Kontinente, München.

SEINE ERFAHRUNGEN IN

Berlin führten dazu,

dass sich Franz Marc auch in München mit der

dortigen ethnographischen Sammlung auseinan-

dersetzte. Und der Kameruner Pfosten war dabei

keineswegs das einzige afrikanische Werk, das ihn

faszinierte. So wurde imAlmanach »Der Blaue Rei-

ter« auch noch eine reliefierte Gelbguss-Platte aus

dem alten Reich Benin im heutigen Nigeria abge-

bildet. Diese Platten sind imWachsausschmelzver-

fahren hergestellt und zeigen in erster Linie Persön-

lichkeiten oder Ereignisse aus der mythischen und

historischen Geschichte des Reiches. Hergestellt

seit wahrscheinlich dem frühen 16. Jahrhundert

dienten sie vermutlich einerseits als Verkleidung

von Wänden und Säulen des dortigen Herrscher-

palastes, andererseits als eine Art »historisches

Archiv« und Loyalitätszeichen auf den Schreinen

und Ahnenaltären hoher Autoritäten. Unglücklicherweise

wurde dieses Werk jedoch 40 Jahre später – im Jahr 1951 –

an den Münchner Kunsthändler Ludwig Bretschneider im

Tausch für andere Werke abgegeben.

ANDENAFRIKANISCHEN

Werken aus dem ehemaligen

Münchner Völkerkundemuseum (jetzt: Museum Fünf Kon-

tinente) zeigt sich vieles über die Sicht der »Blaue Reiter«-

Künstler auf Afrika. Einerseits waren sie in ihrer Empfäng-

lichkeit für afrikanische Plastik und Skulptur ihrer Zeit

voraus, in der diese häufig mit kolonialem europäischemBlick

abgewertet wurden. Andererseits waren auch die Künstler

bei aller Bewunderung der Werke sehr wohl Kinder ihrer

Epoche und der daraus resultierenden Missverständnisse

und Vorurteile. Wenn Marc etwa schreibt, dass er in die-

sen Werken »das kalte Frührot künstlerischer Intelligenz«

suchen würde und nicht in den Kulturen Japans oder in der

italienischen Renaissance, »die schon eine tausendjährige

Bahn durchlaufen haben«, verweist dies letztlich auf eine

Sicht Afrikas als zeitlosen Kontinent ohne Geschichte, bei

der alle Entwicklungen und wechselseitigen Kulturkontak-

te auf diesemKontinent negiert werden. Dieser ahistorische

Blick auf Afrika zeigt sich auch, wenn Marc von sich und sei-

nen Künstlerkollegen fordert, in geistiger Hinsicht »Aske-

ten« zu werden und die künstlerischen Ideen und Ideale ein

»härenes Gewand« tragen müssten, dass man sie mit »Heu-

schrecken und wildemHonig nähren und nicht mit Historie,

um aus der Müdigkeit unsres europäischen Ungeschmacks

herauszukommen«. Auch darin, dass afrikanischen Bildhau-

ern eher ein »gesunder Farbeninstinkt« nachgesagt wurde

als intellektuell-konzeptionelle Leistungen, waren sie ihrer

Zeit verhaftet.

Doch auch, wenn den »Blaue Reiter«-Künstlern Hinter-

gründe zur gesellschaftlichen Einbettung der afrikanischen

Werke fehlten, wenn ihnen Fehleinschätzungen unterlaufen

sind: Sie vertraten in ihrem Blick auf die fremden Werke

einen weitgehend unhierarchischen Ansatz und traten ihren

außereuropäischen Künstlerkollegen auf Augenhöhe gegen-

über. Zudem waren sie von einem ehrlichen Verlangen nach

einem Verständnis der Werke durchdrungen, wie die Worte

von August Macke imAlmanach »Der Blaue Reiter« zeigen:

»Die Bronzegüsse von Benin in Westafrika…, die Idole von

den Osterinseln aus dem äußersten Stillen Ozean, der Häupt-

lingskragen aus Alaska und die Holzmaske aus Neukaledo-

nien reden dieselbe starke Sprache wie die Schimären von

Notre-Dame und der Grabstein im Frankfurter Dom.«

links

Diese reliefierte Gelbgussplatte aus dem Reich Benin (Nigeria),

die einen einheimischen Würdenträger mit Begleiter zeigt, war ebenfalls

im Almanach »Der Blaue Reiter« abgebildet. Sie wurde 1951

vom Münchner Museum gegen andere außereuropäische Werke

weggetauscht.