Magazin Einsichten und Perspektiven (Ausgabe 1/14) - page 38

17 Deutscher Städtetag: Positionspapier des Deutschen Städtetages zu den Fragen der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien, Berlin
22.01.2013. Das Positionspapier ist eine Art „Hilferuf“, der zu einem Dialog aufruft. Dabei soll es nicht um eine Abschottung Deutschlands
vor Zuwanderung gehen, sondern vielmehr um die Bedingungen für eine funktionierende Integration von Migrantinnen und Migranten.
18 Herbert Brücker/Andreas Hauptmann/Ehsan Vallizadeh: Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien: Arbeitsmigration oder Armutsmigrati-
on? (IAB-Kurzbericht, 16/2013), Nürnberg 2013, S. 6.
19 Brücker/Hauptmann/Vallizadeh (wie Anm. 12), S. 1.
20 S. ebd., vgl. auch Matthias Jobelius/Victoria Stoiciu: Die Mär vom Sozialtourismus. Zuwanderung rumänischer Staatsbürger nach Deutsch-
land und in andere EU-Mitgliedsländer, Bonn 2014; Deutscher Gewerkschaftsbund: Informationen zur Freizügigkeit von Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer in der Europäischen Union, Berlin 2014.
Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien
Zum 1. Januar 2014 gelten die uneingeschränkte Arbeitneh-
merfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit auch für
Angehörige der EU2-Länder Rumänien und Bulgarien. Die
damit verbundene Debatte zum Jahreswechsel 2013/2014
war einerseits geprägt durch eine Darstellung der Wande-
rungen und Auswirkungen auf Deutschland in der Vergan-
genheit sowie Prognosen über potentielle Entwicklungen
der Wanderungszahlen und der Auswirkungen. Anderer-
seits wurde das zu Jahresbeginn 2013 veröffentliche Posi-
tionspapier des Deutschen Städtetages
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wieder aufgegriffen
und von einer neuen Dimension der „Armutszuwande-
rung“, einer „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ und ei-
nem „Sozialtourismus“ gewarnt. In der Diskussion ging es
vor allem um die Konzentration von Zuwanderung aus Ru-
mänien und Bulgarien in wenige Großstädte und Ballungs-
gebiete und die damit verbundenen Belastungen und He-
rausforderungen für die Kommunen. Brücker et. al. zeigen
auf, dass in den zwölf am stärksten von der EU2-Zuwande-
rung betroffenen Kommunen ein Drittel der EU2-Zuwan-
derer leben, aber mit überdurchschnittlich hohen Anteilen
in Kommunen mit hohen Löhnen und geringer Arbeitslo-
sigkeit. Die Autoren verweisen auf den deutlichen Zusam-
menhang zwischen der wirtschaftlichen Situation in einer
Kommune (Arbeitslosenquote insgesamt) und den Arbeits-
losenquoten von zugewanderten Rumänen und Bulgaren.
Deren Arbeitslosenquote schwankt stark in Abhängigkeit
von der Arbeitsmarktverfassung der Kommune: Während
sie in Stuttgart (5,7 Prozent), München (6,7 Prozent) und
Mannheim (9,2 Prozent) niedrig war, erreichte sie in Duis-
burg (26,8 Prozent), Berlin (24,7 Prozent) und Dortmund
(21,4 Prozent) sehr hohe Niveaus (Stand: September
2012).
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Die sozialen und ökonomischen Probleme im Zu-
sammenhang mit der Zuwanderung von Bulgaren und Ru-
mänen konzentrieren sich daher insbesondere auf einige
strukturschwache Kommunen wie Duisburg, Dortmund
oder Berlin. Brücker et al. konstatieren, „hier sind nicht nur
die Arbeits- und Leistungsempfängerzahlen zum Teil sehr
hoch. Vor allem sind hier 60 bis 70 Prozent der Bulgaren und
Rumänen weder erwerbstätig noch im Leistungsbezug“.
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Die Autoren erwarten im Jahr 2014 eine steigende Zuwan-
derung, aber auch einen Anstieg der Leistungsbezieher. Die
Gewinne und Belastungen durch Zuwanderungen seien un-
Europäische Wanderbewegungen und Arbeitsmarktintegration: Die Entwicklungen am deutschen Arbeitsmarkt
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gleich verteilt. Die in der Öffentlichkeit vielfach angespro-
chenen Probleme konzentrierten sich auf einige Kommu-
nen, gesamtwirtschaftlich ergäbe sich aber eine positive Bi-
lanz der Zuwanderung. Daher sei vor allem strukturschwa-
chen Kommunen, die mit den Problemen (hohe
Zuwanderungszahlen bei bereits bestehender hoher Ar-
beitslosigkeit in der Kommune, Kosten der Unterkunft,
Kosten der Schulsozialarbeit und Schulintegration) zu
kämpfen haben, konzentriert durch kompensierende Mittel
aus dem Bundeshaushalt zu helfen. Insgesamt sei es aber
nicht gerechtfertigt, angesichts der Beschäftigungs- und
Leistungsbezugssituation die Zuwanderung aus Rumänien
und Bulgarien als „Armutszuwanderung“ zu pauschalisie-
ren.
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Zusammenfassung
Der deutsche Arbeitsmarkt ist momentan in einer stabilen
Grundverfassung bei deutlich regionalen Disparitäten. Es
herrscht kein flächendeckender Fachkräftemangel vor, aber
es zeichnet sich regional, sektoral, beruflich und qualifika-
torisch ein erhöhter Fachkräftebedarf ab. Deutschland
erlebt in den letzten Jahren eine steigende Migration. Zwei
Drittel der Zuwanderer stammen aus der EU – die Wande-
rungsbewegungen sind somit durch eine deutliche „Re-
Europäisierung“ gekennzeichnet. Dabei erweisen sich (pro-
sperierende) Kommunen bzw. Großstädte als Zuwande-
rungsmagnet. Die Arbeitsmarktintegration der EU-Zu-
wanderer funktioniert in vielen Regionen gut: Es gibt eine
steigende Beschäftigung der EU-Zuwanderer; sie stillen die
Nachfrage im Rahmen des Fachkräftebedarfs zum Beispiel
im Gesundheitswesen. Die Beschäftigungsquoten sind je-
doch unterdurchschnittlich und die Arbeitslosigkeit liegt im
Durchschnitt. Allerdings verläuft die Integration nicht un-
problematisch. Zum einen sind die Zuwanderer in Teilen
mit prekären Arbeitsbedingungen und Ausbeutung (z.B.
sehr geringe Stundenlöhne) konfrontiert. Zum anderen
zeichnen sich in jüngster Vergangenheit ein steigender Leis-
tungsbezug und eine immer geringer werdende Qualifika-
tion der Zuwanderer als in der Vergangenheit ab. Vor allem
in strukturschwachen Ballungsgebieten konzentrieren sich
die sozialen und ökonomischen Probleme mit sehr hohen
Arbeitslosen- und Leistungsempfängerquoten.
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