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Einsichten und Perspektiven 4 | 17
Wahlnachlese 2017
Noch ist nicht klar, ob die Bundestagswahl 2017 eine tragfähige Bundesregie-
rung hervorbringt oder ob die Wählerinnen und Wähler in Kürze ein wieder-
holtes Mal an die Urnen müssen [Redaktionsschluss: 1. Dezember 2017]. Auch
wenn die Wahl nur ein paar Wochen zurückliegt, zeigen sich einige Besonder-
heiten des Wahlgangs bereits jetzt sehr deutlich. Nicht wenige Kommenta-
toren stufen den Ausgang als Zäsur oder Umbruch ein – auch wenn sich einige
Entwicklungen bereits bei vorhergehenden Landtagswahlen andeuteten. In
einer ersten Wahlnachlese konzentriert sich der vorliegende Beitrag auf vier
hervorstechende Phänomene der Bundestagswahl 2017.
Erstens gehen wir auf die herausgehobene Rolle der
Medien im Wahlkampf ein. Einerseits sehen wir dabei das
Paradox, dass viele Beobachter den Wahlkampf als träge
einstufen, dieser jedoch im Rückblick durchaus wendungs-
reich ausfiel. Andererseits gerieten die Medien in ihrer
Rolle als Vermittler teilweise selbst in die Kritik. Der zweite
Schwerpunkt liegt auf der Wahlbeteiligung, die erstmals seit
Jahren des Rückgangs und der Stagnation wieder gestiegen
ist. Drittens reflektieren wir den Einzug der Alternative
für Deutschland (AfD) als neue Partei in den Bundestag,
womit das Parlament erstmals seit 1953 wieder aus sechs
Fraktionen besteht. Schließlich fragen wir viertens, welche
Schlüsse wir vor dem Hintergrund der aktuell laufenden
Sondierungen bereits über Veränderungen bei der Koali-
tions- und Regierungsbildung ziehen können.
Medien: Mehr als nur Vermittler?
Am Wahlabend machten einige Beobachter und Politi-
ker die mediale Berichterstattung für den Erfolg der neu im
Bundestag vertretenen Alternative für Deutschland (mit-)
verantwortlich. Das wirft die grundsätzliche Frage auf, wie
groß der mediale Einfluss auf die komplexe Wahlentschei-
dung der Bürgerinnen und Bürger ist. Aber auch wenn der
unsichere journalistische und politische Umgang mit der
rechtspopulistischen Partei sowie ihr provokanter Wahl-
kampfstil dominante Eigenheiten des Wahlkampfs 2017
waren, haben auch andere Besonderheiten diese Hoch-
zeit politischer Kommunikation geprägt. Der trotz vie-
ler Umbrüche teilweise träge wirkende Bundestagswahl-
kampf 2017 passte über weite Strecken nicht zum Klima
der neuen Politisierung und Polarisierung innerhalb der
Wählerschaft. Während Online-Kampagnen inzwischen
auch in Deutschland nicht mehr als große Neuerung
wahrgenommen werden, war der diesjährige Wahlkampf
zudem der erste im Zeichen der Digitalisierung. Als zen-
trales Thema kam in der heißen Phase des Wahlkampfs die
von vielen „Campaignern“ bereits abgehakte Flüchtlings-
situation zurück auf die Agenda. Dieser Umstand begüns-
tigte, dass sich die beiden Volks- und Regierungsparteien
spätestens nach dem TV-Duell zwischen Angela Merkel
und Martin Schulz – trotz fehlender Wechselstimmung –
im Abwärtstrend befanden.
Medien beeinflussen Wahlen – aber sie entscheiden sie nicht
Die Frage nach der Wirkung von Medien, Medienin-
halten und journalistischem Handeln auf Wahlentschei-
dungen war bei jeder Bundestagswahl virulent und eine
der Kernfragen von politischer Wahl- und Medienwir-
kungsforschung. Unstrittig ist, dass Massenmedien und
politische Berichterstattung einen Einfluss auf Wahlent-
scheidungen haben können. Massenmedien liefern in
modernen Gesellschaften die Grundlage von Meinungs-
und Willensbildung. Ihnen kommt eine zentrale Informa-
tions- und Mobilisierungsfunktion zu.
1
Was Bürger über
Politik im Allgemeinen und Wahlen oder Wahlkämpfe im
Besonderen wissen, wissen sie zu einem großen Teil aus
den Medien.
2
Darum hat auch die journalistische Selek-
tion und Interpretation der Wahlkampfereignisse einen
1 Vgl. Matthias Bianchi/Karl-Rudolf Korte: Die Wahlkommunikation zur
Bundestagswahl 2013: Perspektiven der Parteien- und Mediendemokratie,
in: Karl-Rudolf Korte (Hg.): Die Bundestagswahl 2013. Analysen der Wahl-,
Parteien-, Kommunikations- und Regierungsforschung, Wiesbaden 2015,
S. 293-315, hier S. 295.
2 Vgl. Barbara Pfetsch/Frank Marcinkowski: Problemlagen der „Mediende-
mokratie“ – Theorien und Befunde zur Medialisierung von Politik, in: Bar-
bara Pfetsch/Frank Marcinkowski (Hg.): Politik in der Mediendemokratie,
Wiesbaden 2009, S. 11-33.