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Einsichten und Perspektiven 4 | 17
indirekten Einfluss auf die Wahlentscheidung.
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Aktuelle
und durch mediale Berichterstattung stark beeinflusste,
eher kurzfristige Einstellungen derWählerinnen undWäh-
ler zu den Parteien haben vor allem auf die immer größer
werdende Gruppe der Wechselwähler und Unentschlos-
senen eine große Wirkung. Weil die Stammwählerschaft
der Parteien bei Bundestagswahlen entsprechend immer
kleiner wird und die langfristigen Faktoren der Wahlent-
scheidung – z.B. die Parteiidentifikation – an Bedeutung
verlieren, werden die mittel- und kurzfristigen Faktoren
und damit der Wahlkampf an sich wichtiger.
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Umso schwerer wiegt der Vorwurf, Journalisten hätten
die AfD während des Bundestagswahlkampfs durch über-
proportionale Berichterstattung bevorteilt. Tatsächlich
dominierte die Partei die Berichterstattung in denWochen
vor der Wahl. Dabei befanden sich verunsicherte Medien
in einem mehrfachen Dilemma und erlebten einen nach
innen gerichteten „AfD-Effekt“: Durch die von Parteiver-
tretern immer wieder erhobene Kritik, Medien würden
3 Vgl. Bianchi/Korte (wie Anm. 1), S. 294.
4 Vgl. Frank Brettschneider: Wahlkampfkommunikation 2013: Themenma-
nagement mit Wahlprogrammen, Plakaten und Kanzlerduell?, in: Michael
Jäckel/Uwe Jun (Hg.): Wandel und Kontinuität der politischen Kommuni-
kation, Opladen/Berlin/Toronto 2015, S. 45-64, hier S. 46.
berechtigte Meinungen ausblenden oder zensieren, sahen
sich viele Redaktionen beinahe herausgefordert oder agier-
ten besonders vorsichtig. Paradoxerweise erhielt die AfD
also mehr Beachtung in der Berichterstattung, weil sie
sich als Opfer der Medien darstellte. Hinzu kommt, dass
gezielte Provokationen der Partei ein medienwirksamer
Wahlkampfstil sind.
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So löste beispielsweise die Äußerung
des AfD-Vorsitzenden, Alexander Gauland, man könne
die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan
Özogus, „in Anatolien entsorgen“, eine Welle der Empö-
rung aus und bescherte der Partei umfangreiche Bericht-
erstattung. Die Suche nach dem notwendigen Gleichge-
wicht im journalistischen Umgang mit den Parteien war
daher ein herausstechendes Merkmal der Berichterstattung
über diesen Wahlkampf. Trotzdem entscheiden Medien
keinen Wahlausgang. Die individuelle Wahlentscheidung
ist dafür zu komplex, denn auch „Parteineigung, subjektiv
zugeschriebene Problemlösungskompetenz und Personen
wirken auf die individuelle Wahlentscheidung ein.“
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5 Vgl. Bernd Gäbler: AfD und Medien. Analyse und Handreichung, Frankfurt
am Main 2017.
6 Bianchi/Korte (wie Anm. 1), S. 293.
Blick in das Plenum des neu konstituierten Bundestags: Erste Reihe, v.l.n.r.: Katrin Göring-Eckardt, (Bündnis 90/Die Grünen), Michael Grosse-Brömer (CDU),
Volker Kauder (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Alexander Dobrindt (CSU) , Wolfgang Schäuble (CDU), Christian Lindner (FDP), Marco Buschmann
(FDP), Alice Weidel (AfD), Alexander Gauland (AfD), Berlin, 24. Oktober 2017
Foto: sz-photo/Fotograf: Jens Schicke
Wahlnachlese 2017