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Einsichten und Perspektiven 4 | 17

Wendungsreicher Wahlkampf, undynamische Kampagnen

Die Ausgangslage zu Beginn des Jahres 2017 ließ ver-

muten, dass der Wahlkampf nicht an die vermeintlichen

„Valium-Wahlkämpfe“ vergangener Bundestagswahlen

anknüpfen und einige Neuerungen mit sich bringen

würde. Die Popularität von Angela Merkel, die 2013

noch das politische Klima bestimmte,

7

hatte im Zuge der

Debatte um die Flüchtlingspolitik stark abgenommen.

Laut ARD-Deutschlandtrend waren im Februar 2017 mit

55 Prozent zwar deutlich mehr Bürgerinnen und Bürger

mit der Arbeit der Kanzlerin zufrieden als noch im Feb-

ruar des Vorjahres (46 Prozent),

8

dennoch konnten diese

Werte nicht an ihre Popularität zu Beginn des Wahljahres

2013 heranreichen.

9

Während die Flüchtlingssituation zu

Beginn des Wahljahres für die öffentliche Debatte immer

weiter an Bedeutung verlor, setzte die Nominierung von

Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD bei den

Sozialdemokraten zunächst regelrechte Mobilisierungs-

schübe frei. In der Kanzlerpräferenz überholte Schulz

die Amtsinhaberin bereits im Februar – laut Deutsch-

landtrend hätten zu diesem Zeitpunkt 50 Prozent der

Wählerinnen und Wähler bei einer Direktwahl des Kanz-

lers ein Kreuz für Schulz gemacht, während Merkel nur

auf 34 Prozent gekommen wäre. Bei der Sonntagsfrage

überholte die SPD die CDU im Februar sogar erstmals

seit 2006, während beide Parteien imMärz noch gleichauf

bei 32 Prozent lagen.

10

Diese überraschende Entwicklung

markierte zugleich den Startpunkt für den Wahlkampf. In

der anschließenden Phase der parteiinternen Mobilisie-

rung signalisierte der angesichts schlechter Ergebnisse bei

Landtagswahlen im Saarland, Nordrhein-Westfalen sowie

Schleswig-Holstein und verpatzter Programmvorstellun-

gen verpuffte „Schulz-Hype“ einen weiterenWendepunkt.

Bereits Mitte Mai hatte die CDU in der Sonntagsfrage

mit 37 Prozent wieder zehn Prozentpunkte Vorsprung

auf die SPD.

11

Mit 64 Prozent zufriedenen Bürgerinnen

und Bürgern waren zudem Angela Merkels Popularitäts-

werte im Juli deutlich besser als die von Martin Schulz (36

7 Vgl. Bianchi/Korte (wie Anm. 1), S. 294.

8 Vgl. ARD (Hg.): ARD-DeutschlandTrend, abrufbar unter:

https://www.ta- gesschau.de/inland/deutschlandtrend/

[Stand: 15.11.2017].

9 Im Januar 2013 waren laut ARD-Deutschlandtrend beispielsweise 65

Prozent mit der Arbeit von Angela Merkel zufrieden. Vgl. dazu ARD (wie

Anm. 8).

10 Vgl. infratest-dimap (Hg.): Sonntagsfrage, abrufbar unter: https://www.

infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/sonntagsfrage/

[Stand: 15.11.2017].

11 Vgl. ebd.

Prozent).

12

Mit guten Umfragewerten im Rücken konnte

Angela Merkel nun doch mit ihrer bewährten Strategie,

Gegenmobilisierung durch möglichst geringe Polari-

sierung zu verhindern,

13

in die heiße Phase des Wahl-

kampfs starten. Im frühen TV-Duell, das aufgrund des

konfrontativen Settings eigentlich eine Gefahr für diesen

Kampagnen-Plan darstellte, befand sich die Kanzlerin auf

dem Zenit ihres Wahlkampfs. TV-Debatten erfüllen eine

Vielzahl von Funktionen – z.B. versuchen die Spitzen-

kandidaten die beträchtliche Zahl noch unentschlossener

Wähler für sich zu gewinnen, auf den letzten Metern des

Wahlkampfs Journalisten zu überzeugen und den Ton der

Medienberichterstattung zu ihren Gunsten zu verbessern

oder aber bestehende Sympathien für einen Kandidaten

zu verstärken. Besonders die SPD und ihr Spitzenkan-

didat Martin Schulz hofften, in der Konfrontation mit

Angela Merkel noch einmal „Boden“ gutzumachen und

die vielen Journalisten, die für den „Herausforderer“ keine

realistische Chance auf einen Wahlsieg mehr sahen, vom

Gegenteil zu überzeugen

14

– eine Hoffnung, die letztlich

zu groß war, um erfüllt zu werden.

15

Am Ende geriet das TV-Duell aber für beide zum „Duell

der Verlierer“. Ob die Debatte den Parteien Stimmgewinne

oder -verluste beschert hat, kann nur schwer beurteilt wer-

den. Allerdings hat das Kanzlerduell die Themenagenda

des Wahlkampfs – letztlich nicht zu Gunsten der Duel-

lanten – beeinflusst. Der Auftritt der beiden Kandidaten

und ihre Argumentation traten nämlich angesichts zweier

Streitpunkte in den Hintergrund: Vor dem Duell wurde die

vermeintliche Einflussnahme der Amtsinhaberin Angela

Merkel auf die Gestaltung des Formats breit kritisiert.

16

Im

Nachgang der Debatte wurde wiederum demModeratoren-

team eine einseitige und populistische Themen- und Fra-

12 Vgl. ARD (wie Anm. 8).

13 Vgl. Bianchi/Korte (wie Anm. 1), S. 304.

14 Vgl. Lisa Caspari: „Schulz sollte im TV-Duell nicht mit Merkel reden“,

Interview mit Frank Stauss, Zeit Online v. 30.08.2017, abrufbar unter:

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-08/bundestagswahlkampf-

tv-duell-martin-schulz-frank-stauss [Stand: 18.09.2017].

15 Vgl. Jan Dinter/Kristina Weissenbach: Das TV-Duell im Bundestagswahl-

kampf 2017, in: Einsichten und Perspektiven 3/2017, H. 3, S. 32–43.

16 Vgl. Deutscher Journalisten-Verband: Kanzlerduell. Veränderungen erfor-

derlich, Pressemitteilung v. 29.08.2017, abrufbar unter:

https://www.djv

.

de/startseite/profil/der-djv/pressebereich-download/pressemitteilungen/

detail/article/veraenderungen-erforderlich.html [Stand: 18.09.2017];

Welt.de

v. 26.08.2017: Vorwürfe gegen Merkels Bedingungen für das TV-

Duell mit Schulz, abrufbar unter:

https://www.welt.de/politik/deutsch-

land/article168016093/Vorwuerfe-gegen-Merkels-Bedingungen-fuer-

das-TV-Duell-mit-Schulz.html [Stand: 18.09.2017].

Wahlnachlese 2017